Teheran/Peking/Berlin – Gold könnte durch die US-Sanktionen gegen den Iran ein weiterer Aufschwung bevor stehen. Knackpunkt dieser Entwicklung ist China, berichtet Forbes in seiner heutigen Ausgabe: Das Reich der Mitte könnte seine bisherigen Tauschgeschäfte gegen iranisches Öl schon bald vor allem auf Bezahlung mit Gold ausdehnen, um nicht unter die US-Sanktionen zu fallen. Deutsche Fachexperten bezeichnen gegenüber pressetext eine derartige Entwicklung als „unwahrscheinlich“, ganz auszuschließen sei sie jedoch nicht.
Bezahlung in Waschmaschinen
US-Präsident Obamas „National Defense Authorization Act“ (NDAA), der am 28. Juni 2012 in Kraft tritt, richtet sich gegen ausländische Finanzinstitute, die Transaktionen mit dem Iran in Verbindung mit Ölgeschäften durchführen. China als mittlerweile wichtigster Ölabnehmer Irans stieg bereits 2011 teils auf Tauschgeschäfte um: So wurden chinesische Lebensmittel, Waschmaschinen, Kühlschränke, Spielsachen, Kleidung, Kosmetik und Toilettartikel gegen Öl gewechselt.
China importierte im Vorjahr 21,7 Mrd. Dollar iranisches Öl und exportierte im Gegenzug 14,8 Mrd. Dollar in Form von Gütern und Dienstleistungen. Um die verbleibende Differenz nach Inkrafttreten des NDAA zu begleichen, könnte China vor allem auf Gold setzen, so die Vermutung. Entsprechende Signale aus Teheran gab es längst: Die iranische Zentralbank verkündete im Februar, das Edelmetall als Bezahlung für Öl zu akzeptieren.
Strategisches Zahlungsmittel
Eine Aussage, die jedoch in der Fachwelt umstritten ist. „Warum sollte China das strategische Asset Gold als Zahlungsmittel nutzen?“, fragt etwa Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank http://commerzbank.de , im Interview mit pressetext. Ein „Gold-gegen-Öl-Tauschgeschäft“ des einwohnerreichsten Landes hält er für „eher unwahrscheinlich“, wenngleich man es nicht völlig ausschließen könne. China ist derzeit der weltgrößte Goldproduzent und wird dieses Jahr auch zum größten Goldimporteur werden.
Die strategische Bedeutung von Gold wächst, betont Weinberg. „Speziell in Krisen bewährt sich das Edelmetall als einziges Zahlungsmittel, wie man in Tunesien und Libyen gesehen hat, und auch das syrische Regime kauft in Dubai Devisen mit Gold.“ Immer mehr sei Gold mit Geld gleichzusetzen, wobei die langsame Entwicklung zum „ultimativen Tauschmittel“ erst in der zweiten Jahreshälfte 2012 anlaufen werde, sobald die Zentralbanken mehr Wert auf Liquidität legen. „Bis dorthin wird sich der Goldpreis eher nach unten bewegen“, schätzt der Experte.
Kein Fingerverbrennen
Skeptisch äußert sich auch Ulrike Reisach, China-Expertin an der Hochschule Neu-Ulm http://hs-neu-ulm.de , im pressetext-Interview. „Zumindest das offizielle China wird es tunlichst vermeiden, durch gezieltes Umgehen der Sanktionen einen Streit mit den USA vom Zaun zu brechen. Schon bisher war seine Haltung diesbezüglich vorsichtig.“ Denkbar ist daher, dass China zunehmend die Ölquellen in Saudi-Arabien, Vietnam, Russland oder Afrika anzapft. Falls der Iran dennoch Ölhandelspartner bleibt, sei eine Bezahlung mit Devisen weit wahrscheinlicher als mit dem für Notlagen gebunkerten Gold, glaubt auch Reisach.
Iran drängt
Weitere Gegenargumente liefert Forbes-Autor Gordon Chang selbst: Auch Russland oder Pakistan tauschen zunehmend Naturalien wie etwa Weizen für iranisches Öl, zudem hat Teheran im Februar signalisiert, zur Umgehung des Dollars künftig auch Landeswährungen zu akzeptieren. Die iranischen Ölexporte würden infolge der Sanktionen ohnehin sinken, zudem werden die Abnehmer Irans Notlage nützen, um den Ölpreis zu drücken. Da die USA jedoch zu weiteren Verschärfungen der Finanzmaßnahmen bereit sind, werde der Iran alles daran setzen, um Zugang zu Gold als harte Währung zu erhalten.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Johannes Pernsteiner
Goldbarren: Teherans Hoffnung, um flüssig zu bleiben (Foto: aboutpixel/Albrecht)