Der Umgang der Jugend mit digitalen Medien lässt die Wirtschaft alt aussehen: Noch immer fahren die meisten Büros zweigleisig auf Festnetz und Mobiltelefon, verbinden PC und Telefon kaum miteinander und überlassen die Erreichbarkeit dem Zufall. Software-Spezialisten heben auf der CeBIT hervor, dass der private Sektor bei der Nutzung von Facebook und Twitter, beim Abruf mobiler Daten, bei der Nutzung von Apps oder beim Teilen von Wissen klar die Nase vorne hat. Motor der Kommunikations-Technisierung ist somit der Verbraucher.
Kinderzimmer als Trendsetter
Wer wissen will, wie die Technologie von morgen aussieht, muss einen Blick in die Kinderzimmer werfen: Zu dieser Einschätzung kam vor ein paar Jahren ein hochrangiger Manager von Ericsson: Kids von heute sitzen mit dem Bluetooth-Headset vor dem Computer und unterhalten sich per Videochat mit ihren Freunden auf der ganzen Welt. Telefoniert wird selbstverständlich mit Skype, Instant Messaging ist schon ein alter Hut. Mobilität ist keine Vision, sondern Alltag: Das Handy hat den Festnetzanschluss schon längst verdrängt.
Die Kommunikation in heutigen Büros kann mit dieser Realität kaum mithalten, verdeutlicht Andreas Klug vom Kölner Softwarespezialisten Ityx http://www.ityx.de/blog : „Bei der Nutzung moderner Kommunikationstechnologien hinken die Firmen um Jahre hinterher. Hier muss die Wirtschaft deutlich schneller werden“, so Klug in der Bitkom-ECM-Expertenrunde http://bit.ly/xCUKqv auf der CeBIT.
Archive kein Kommunikations-Ersatz
Unternehmen, die mit den vernetzten Kunden nicht Schritt halten, werden vom Markt verschwinden. Bislang gibt es kaum Anbieter mit umfassenden Konzepten: „Leider findet man immer noch sehr viele Insellösungen“, moniert Maximilian Gentner von der Unternehmensberatung Pentadoc http://pentadoc.com , Spezialist für Enterprise Content Management (ECM).
Als eine dieser Insellösungen definieren die Experten die Archive am ECM-Markt, die Klug mit der „Warteschleife“ der Hotline-Branche vergleicht. „Beide Themen zeigen aus Verbrauchersicht nur die Innovationsarmut der Unternehmen. Kunden interessieren sich nicht für Archive. Durch den Siegeszug der Smartphones und Tabletts sind sie es gewohnt, überall und zu jeder Uhrzeit Ihre Angelegenheiten digital zu erledigen. Kunden entscheiden sich nicht mit den Unternehmen, die tolle Archive besitzen, sondern mit jenen, mit denen sie komfortabel und schnell kommunizieren können.“
Offenheit statt Macht und Kontrolle
Der rasante Siegeslauf von Smartphones in Verbindung mit Social Media ändere alles, so die Marketingberaterin Anne M. Schüller, Autorin des Buches „Touchpoints – Auf Tuchfühlung mit den Kunden von heute“. „Die breite Masse der Unternehmen ist noch nicht da, wo die Kunden jetzt schon sind. Aus einer Weisheit der Vielen im Netz entwickelt sich sehr schnell eine Macht der Vielen.“ Die Wirtschaft müsse diese Welt schnell verstehen und Konsequenzen ziehen, wobei Vorstands-Anweisungen wie „auch mal was auf Facebook machen“, völlig unzureichend seien und nur zeigten, dass man noch im alten Top-Down-Modus verhaftet sei.
Eine wirkliche Berührung mit Kunden finde nicht statt, weil Manager immer noch technokratisch und emotionslos agieren. Vom alten Denken der Kundenbindung, das mit Wechselbarrieren oder erkaufter Treue eher einer Fesselung gleiche, müsse man sich verabschieden. „Nur noch Loyalität zählt, die aber vom Kunden ausgeht und freiwillig ist. Erst wenn ich mich emotional dem Unternehmen verbunden fühle, bin ich bereit, es zu empfehlen“, erklärt Schüller. Vernetzte Ökonomien erforderten die Abgabe von Macht und Kontrolle sowie die offene Organisation von Touchpoints mit der Innen- und Außenwelt.
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Smartphone im Büro: Wirtschaft zu wenig vernetzt (Foto: Flickr/oShea)