Für die Behandlung von Tinnitus ist eine vom Internet gestützte Therapie genauso hilfreich wie die herkömmliche Gruppentherapie. Zu diesem Schluss kommen Psychologen der Universität Mainz (JGU) http://www.uni-mainz.de und der schwedischen Universität Linköping http://www.liu.se in einer Studie. Die Forscher überprüften ein in Schweden entwickeltes Tinnitus-Trainingsprogramm für das Internet, das übersetzt und auf deutsche Verhältnisse angepasst wurde.
Internet und Gruppe ebenbürtig
Patienten mit mittel- bis schwergradigem Tinnitus wurden dazu nach dem Zufallsprinzip einer Internet- und einer Gruppenbehandlung zugeteilt, deren Programm sie zehn Wochen lang durchliefen. Beide Gruppen erreichten ein gleich gutes Ergebnis: Die am „Tinnitus Handicap Inventory“ gemessene Belastung sank jeweils von durchschnittlich 40 auf 29 Punkte, was einer milden Ausprägung entspricht. Eine Kontrollgruppe, die an einem Online-Diskussionsforum teilnahm, erreichte bloß den Wert 37. Die Internettherapie wirkt auch langfristig, bestätigten Erhebungen ein halbes Jahr später.
Inhaltlich ähnelt die Webtherapie der Gruppenform, erklärt die Mainzer Diplompsychologin Maria Kleinstäuber im pressetext-Interview. „Es geht einerseits um Stressbewältigung und Entspannung, andererseits um den Umgang mit Tinnitus. Dazu gehören etwa die Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Ohrgeräusch, dessen Bewertung oder Umdeutung, mit der man in der Vorstellung auch positive Bilder wie zum Beispiel das Grillenzirpen hervorrufen kann. Wichtig ist aber genauso die bewusste Konfrontation mit den vom Geräusch ausgelösten negativen Gefühlen sowie deren Gewöhnung.“
Therapeut weiterhin nötig
Zwei Prozent der Bevölkerung sind durch Tinnitus mittelschwer bis unerträglich belastet, schätzt die Deutsche Tinnitus-Liga http://www.tinnitus-liga.de . Um die Versorgung steht es schlecht: Es gibt zu wenige ambulante Therapieangebote, und die Wartezeiten für die Behandlung sind üblicherweise lange. Internet-basierte Behandlungen sollten künftig stärker in die psychotherapeutische Versorgung von Tinnitus-Patienten einbezogen werden, schlagen die Autoren der Studie vor.
Dennoch erwartet Kleinstäuber weder frei verfügbare Internetversionen der Online-Therapie noch deutliche Kostensenkungen durch sie. „Zwar fällt einiges an Zeitaufwand weg, doch ist auch die Internet-Behandlung therapeutengestützt und erfordert nicht nur anfangs eine ausführliche Anamnese, sondern auch weiterhin etwa einmal pro Woche Kontakte per E-Mails oder Telefon.“ Vorteile gibt es dennoch: Man kann Patienten mit mehr Betreuungsbedarf – etwa aufgrund einer Depression – für intensivere Therapien herausfiltern und sonst störungsfreie Tinnitus-Betroffene per Web versorgen.
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Lästige Ohrengeräusche: Internet-Behandlung im Kommen (Foto: Flickr/Habermann)