In der heutigen (9.2.) Sitzung des Sozialausschusses berichtet die Landesregierung zum Thema Pflegeelternwesen in Schleswig-Holstein. Hintergrund ist der Tod der 11jährigen Chantal, die in einer Hamburger Pflegefamilie lebte.
Sozialminister Dr. Heiner Garg betonte anlässlich der Sitzung: „Ein wichtiger Bestandteil im Kinderschutzes ist die wertvolle Arbeit von Pflegefamilien. Eine angemessene Balance zwischen Förderung und Unterstützung einerseits und einer notwendigen konsequenten Intervention andererseits stehen dabei im Fokus. Kommunen, Landesregierung und Beteiligte entwickeln den Kinderschutz in Schleswig-Holstein gemeinsam kontinuierlich weiter. Dabei werden die Erkenntnisse, die sich aus dem tragischen Ereignis in Hamburg ergeben, selbstverständlich berücksichtigt“.
Zur Situation im Pflegeelternwesen in Schleswig-Holstein: Am 31.12.2010 waren 3.106 Kinder in Vollzeitpflege, davon 2.421 bei fremden Pflegepersonen, 685 bei Verwandten (Statistik der Kinder- und Jugendhilfe). Kreise und kreisfreien Städte führen nach dem Bundeskinder- und Jugendhilfegesetz die Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung durch. Die Verantwortung liegt vor Ort – auch, damit es möglich ist, etwaige Defizite direkt und schnell zu erkennen und gegebenenfalls entsprechend handeln zu können. Das Land (Landesjugendamt) bietet Beratung und Unterstützung an. Landkreistag und Städteverband informieren für die Jugendämter der Kreise und kreisfreien Städte:
. In den Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein erfolgt die Auswahl, Vermittlung und Betreuung von Pflegefamilien nach einem sorgfältigen und standardisierten Verfahren. Alle Jugendämter haben hierzu eine umfängliche fachlich-pädagogische Empfehlung erarbeitet.
. Voraussetzung für die Begründung eines Pflegeelternverhältnisses ist die persönliche Eignung der potentiellen Pflegeeltern, die vor Begründung einer Familienpflegschaft ausführlich überprüft wird.
. Während des Pflegeverhältnisses werden die Familien begleitet. Bei den Besuchen in den Pflegefamilien werden die Voraussetzungen für das Pflegeverhältnis, insbesondere für das persönliche Wohlergehen des Kindes, während der gesamten Dauer des Pflegeverhältnisses weiterhin überprüft.
Bei der Auswahl, Schulung und pädagogischen Begleitung der Pflegefamilien arbeiten schleswig-holsteinische Jugendämter mit freien Trägern der Jugendhilfe zusammen. „Die Einbindung freier Träger in der Jugendhilfe ist kein Qualitätsdefizit; sie leisten gute fachliche Arbeit“, betonte der Geschäftsführer des Landkreistages, Jan-Christian Erps. Zwischen Jugendämtern und den freien Trägern sind Verfahren zur Sicherstellung der Qualität der Arbeit der Träger vereinbart, die von den Jugendämtern regelmäßig überprüft werden. „Das Jugendamt behält in jedem Fall die Verantwortung“, so Erps.
Jochen von Allwörden, Geschäftsführer des Städteverbandes, betonte: „Pflegeeltern leisten einen wertvollen Beitrag zu einem funktionierenden Kinderschutz. Anhaltspunkte, dass rechtliche Vorgaben nicht eingehalten werden, haben wir in Schleswig-Holstein nicht. Die Jugendämter setzen alles daran, auch in Pflegefamilien einen bestmöglichen Kinderschutz weiter zu entwickeln“.
Zum weiteren Vorgehen in Schleswig-Holstein/Rolle des Landes:
Neben der fachlichen Beratung und Unterstützung hat das Land mit den im Kinderschutz aktiven Partnern ein gut ausgebautes vernetztes System präventiver Kinderschutzarbeit in Schleswig-Holstein aufgebaut. In diesem Expertensystem werden jetzt die bestehenden Regelungen und Verfahrensweisen hinsichtlich der Vermittlung sowie der Begleitung und Kontrolle von Pflegefamilien in Schleswig-Holstein vor dem Hintergrund der laufenden Erkenntnisse aus Hamburg auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls weiterentwickelt.
Die bisherigen Erkenntnisse aus Hamburg deuten darauf hin, dass es sich um ein Versagen handelt, das trotz eindeutiger gesetzlicher Regelungen und Richtlinien eintrat, die Versagensgründe also nicht in gesetzlichen Lücken oder fehlenden Richtlinien liegen (auch laut „Pflegeelternberatung der Hamburger Bezirksämter, 2007“, dürfen z. B. Eltern mit einer Suchterkrankung absolut keine Pflegschaft übernehmen). In Schleswig-Holstein bestehen – noch ausführlicher als in Hamburg – eindeutige Regelungen zum Schutz von Pflegekindern (u. a. im Jugendförderungsgesetz, nach dem die Pflegeerlaubnis insbesondere zu versagen ist, „wenn die Pflegeperson.nicht die Gewähr dafür bietet, dass das .Wohl des Kindes ungefährdet bleibt“ (z.B. Drogenkonsum im Haushalt) und in den oben genannten Empfehlungen der Kommunen).
Vor dem Hintergrund kann ein solches Versagen – nach derzeitigem Wissenstand – eher durch die Unterstützung präventiv wirkender Maßnahmen sowie durch die fortdauernde systematische und konsequente fachliche Begleitung, Fortbildung und Qualifizierung der Fachkräfte in den Jugendämtern und bei den freien Trägern der Jugendhilfe verhindert werden.
Zwischen Land und kommunaler Seite findet ein intensiver fachlicher Austausch statt (eine Fachaufsicht führt das Land nicht). Das vom Landesjugendamt aufgebaute Fachforum Kinderschutz wird sich in der kommenden Woche mit der weiteren Analyse der hamburgischen Vorgänge befassen und gegebenenfalls weiter Konsequenzen für Schleswig-Holstein diskutieren. Eine der wichtigsten Funktionen des in Schleswig-Holstein etablierten Systems Kinderschutz ist es, schnell und angemessen auf aktuelle Herausforderungen im Kinderschutz gemeinsam mit allen Beteiligten reagieren zu können.
Verantwortlich für diesen Pressetext: Christian Kohl | Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit | Adolf-Westphal-Straße 4, 24143 Kiel