Anhand von Zahlen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung http://boeckler.de/index_wsi.htm hat Matthias Knuth, Professor am Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen http://www.iaq.uni-due.de die aktuelle Lage des Arbeitsmarktes analysiert. Der Arbeitsmarktforscher hat eine scheinbar widersprüchliche Entwicklung aufgedeckt. „Ich habe geschaut, ob die Reformen, die 2002 bis 2005 eingeführt wurden, aus der Sicht von Arbeitslosen das gewünschte Ziel gehabt haben“, erklärt Knuth im pressetext-Gespräch.
Arbeitslosenzahlen gesunken
Das Ergebnis: Die Zahl der Arbeitslosen ist zwar gesunken. „Die Arbeitnehmer geben sich aber mit weniger zufrieden. Der Niedriglohnanteil steigt, befristete Stellen nehmen zu, die Arbeitszufriedenheit nimmt ab und die Ungleichheit der Löhne ist gestiegen“, sagt Knuth. Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust hat zugenommen, obwohl Entlassungen real abgenommen haben. „Es geht bei dieser Angst nicht um den Verlust der Arbeit, sondern um die Fallhöhe – die Folgen von Arbeitslosigkeit sind durch Hartz IV schlimmer geworden“, kritisiert Knuth.
Der Experte konnte auch beobachten, dass Arbeitnehmer das Risiko eines Jobwechsels scheuen. Fazit des Wissenschaftlers: Der Rückbau der Arbeitslosenversicherung scheint sich „auf den Arbeitsmarkt insgesamt lähmend“ ausgewirkt zu haben. Die „zunehmende Zähflüssigkeit des Arbeitsmarkts“ lasse sich an einer steigenden durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit ablesen. Im Mittel waren westdeutsche Beschäftigte Ende der 90er-Jahre rund 9,5 Jahre bei ihrem aktuellen Arbeitgeber, bis zum Jahr 2008 erhöhte sich dieser Wert auf über zehn Jahre.
Kurzzeitarbeitslose finden schneller Job
Im Jahr 2000 hatten durchschnittlich 36 Prozent aller westdeutschen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine neue Stelle angetreten, während auf dem Höhepunkt des folgenden Aufschwungs 2007 nur noch 28 Prozent erreicht wurden. Fazit: Kurzzeitig Arbeitslose finden schneller einen Job. „Aber der Preis für diesen Vorteil ist hoch“, sagt Knuth. Langzeitarbeitslose haben weiterhin schlechte Karten. Hartz-IV-Bezieher haben an der gesunkenen Arbeitslosigkeit nur einen vergleichsweise geringen Anteil, so der Forscher.
Seit ihrem Höchststand im April 2006 ist die Zahl der als erwerbsfähig eingestuften Leistungsberechtigten nur um 13 Prozent gesunken, während die Arbeitslosigkeit um 36 Prozent abgenommen hat. Knuth folgert: Das verstärkte Fordern und Fördern wirke weniger auf diejenigen, auf die die neu ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik zugeschnitten sei. Der stärkste Effekt sei bei den anderen Gruppen zu beobachten – die das Risiko, ins Hartz-IV-Regime zu rutschen, vermeiden wollen. Das gelte „auch und gerade“ für den „stabil beschäftigten Kern“.
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Matthias Knuth im pressetext-Interview (Foto: Universität Duisburg-Essen)