Die Havarie des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ ist eine Verkettung gleich mehrerer unglücklicher Umstände und menschlichen Versagens. Doch nicht nur das Auflaufen auf einen Felsen vor der Küste der mittelitalienischen Insel Giglio wird Gegenstand intensiver Untersuchungen sein, sondern auch grobe Missstände der Evakuierung, die Mitschuld am Tod von fünf Passagieren haben dürfte. Zu diesem Schluss kommen Experten für Schiffssicherheit gegenüber pressetext.
Der 114 .000 Bruttoregistriertonnen (BRT) große Luxusliner hielt am Freitagabend aus bisher noch ungeklärten Gründen einen zu engen Kurs mit der Küste und schrammte dabei einen Felsen. Der Rumpf riss auf einer Länge von fast 70 Metern, worauf das Schiff kenterte und derzeit nur noch mit der Backbordseite sowie mit Aufbauten aus dem Wasser ragt. Fast alle der 3.000 Touristen und 1.000 Besatzungsmitglieder wurden gerettet, fünf starben jedoch – teils nach dem Ausbruch von Panik und Selbstrettungsversuchen. 15 Personen werden derzeit noch vermisst.
Katastrophale Rettung
Der Kapitän Francesco Schettino wird sich außer für den haarsträubenden Kurs seines Schiffes auch für die schlechte Evakuierung verantworten müssen, betont Dirk Sedlacek, Leiter des Instituts für Sicherheitstechnik und Schiffssicherheit http://schiffssicherheit.de , im pressetext-Interview. „Grundsätzlich gilt bei Schiffsunglücken die Regel, dass die Reisenden und die Besatzung innerhalb von 60 Minuten von Bord gehen müssen. Bei derartigen Schiffsgrößen ist dies schwierig, weshalb man oft versucht, den nächsten Hafen aus eigener Kraft zu erreichen. Der Kapitän hätte gleich wissen müssen, dass dies nicht möglich war, da mehr als zwei wasserdichte Abteilungen überflutet waren.“
Aufgrund der enormen Schiffsgröße bezeichnet es Sedlacek als „nachvollziehbar“, dass an Bord Unruhe und Panik ausbrach. „Schließlich fehlte es auch an Booten und Flößen zur Rettung. Normal können diese 125 Prozent der an Bord befindlichen Menschen aufnehmen, doch sobald ein Schiff mehr als 20 Grad Schlagseite bekommt, kann die Hälfte der Rettungsmittel nicht mehr zu Wasser gelassen werden.“
Druck auf Personal wächst
Grundproblem der heutigen Schiffsbesatzungen ist es, dass sie den Notfall meist nur aus Simulationen kennen. Die Vorbereitung für den Ernstfall ist gut, betont der Schiffsicherheits-Experte. „Mindestens alle fünf Jahre machen die Schiffsoffiziere und Besatzungsmitglieder, die für die Evakuierung verantwortlich sind, zusätzlich zu laufenden Schulungen ein dreitägiges Notfalltraining nach internationalen Vorschriften. Künftig dürfte jedoch noch mehr Druck auf die Qualifizierung und Ausbildung des Personals liegen“, vermutet Sedlacek.
Kreuzfahrten sind sicher
Vertreter der Branche, glauben nicht an einen Buchungseinbruch im boomenden Kreuzfahrt-Geschäft. „Die Kreuzfahrt hat über 90 Mio. Touristen jährlich, und Unfälle gibt es kaum. Sie gehört damit zu den sichersten Reiseformen überhaupt, was es nun stärker zu vermitteln gilt“, urteilt Manfred Jägersberger-Greul, Geschäftsführer von Caravelle Seereisen http://caravelle.at , auf pressetext-Anfrage. Eine „rasche, lückenlose Aufklärung“ sei nicht nur im Interesse des Schiffsbetreibers Costa und der Versicherungen, sondern auch der gesamten Branche.
Eine Einschätzung, die auch Hansjörg Kunze, Vice President Marketing & Communication der Aida Cruises http://aida.de , teilt. Aida ist als Tochter der Carnival Corp. die deutsche Schwester der italienischen Costa-Reihe. „Vorerst muss man mit ganzer Kraft vor Ort handeln und die Folgen des Unglücks vor allem für die Reisenden und die Schiffsbesatzung minimieren. An Bord gelten höchste Sicherheitsstandards. Welche Konsequenzen die Branche in die Wege leitet, entscheidet sich erst nach genauer Klärung des Hergangs“, so der Experte gegenüber pressetext.
Kein Unterwassermuseum
Über das weitere Schicksal der Costa Concordia gibt es bisher nur Spekulationen. Versucht wird derzeit, die 2.400 Tonnen Dieselöl im Schiffstank abzupumpen, um eine Umweltkatastrophe zu verhindern. Die Chancen auf die Hebung des Schiffes stehen schlecht. „Es ist mit seinen 291 Metern zu groß, und auch ein Abdichten ist wegen der Größe des Lecks kaum möglich“, so Sedlacek. Gelingt das Stabilisieren nicht, dürfte der Luxusliner auf tiefere Gewässer abrutschen und sinken. „Vielleicht wird man das Wrack zersägen und die Einzelteile bergen, besonders wenn sonst der Schiffsverkehr gestört ist.“
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Costa Concordia: Haverie vor Italiens Küste (Foto: Wikimedia/Roberto Vongher)