Biodiversität und Artenhilfsprogramm: Schleswig-Holsteins geheimnisvolle Art – die Waldbirkenmaus soll 2012 weiter erforscht werden

KIEL. Die Anstrengungen zum Erhalt und zur Verbesserung der Biodiversität in Schleswig-Holstein, also der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten und Lebensräumen, sollen auch 2012 fortgesetzt werden. Das hat das Umweltministerium heute (5. Januar) angekündigt. Das Instrument hierfür ist das Artenhilfsprogramm des Landes von 2008.

Eine beispielhafte Facette ist die Erforschung der Waldbirkenmaus in Schleswig-Holstein, die 2012 wieder aufgenommen werden soll. Das Nagetier kommt in Nord- und Mitteleuropa vereinzelt und erst wieder in Ostpolen flächenhaft vor. Die isolierten Vorkommen in Mittel- und Westeuropa stellen vermutlich Eiszeitrelikte dar. Demnach wäre die Maus von den eiszeitlichen Gletschern hier „vergessen“ worden. In Deutschland findet sie sich nur im Bayerischen Wald sowie in Schleswig-Holstein und ist somit die vermutlich seltenste Säugetierart zwischen Nord- und Ostsee.

Die winzige Waldbirkenmaus ist etwa so groß wie die heimische Zwergmaus und damit zusammen mit dieser auch das kleinste heimische Nagetier. Sie erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 50 bis 72 mm, eine Schwanzlänge von 140 bis 150 Prozent der Kopf-Rumpf-Länge und ein Gewicht von 5 bis 11 Gramm. Die Oberseite des Körpers ist gelbgrau mit schwärzlicher Strichelung und einem dunklen Streifen auf dem Rücken, dem so genannten Aalstrich. Die Unterseite ist hellgrau.

Die Verbreitung in Schleswig-Holstein ist nach wie vor nicht vollständig geklärt, die Art selbst ist fast ein Phantom. Erstmals nachgewiesen wurde die Waldbirkenmaus 1936 im Tolker Moor bei Schleswig durch den Fang eines männlichen Tiers. Danach tauchte sie erst im Jahr 1963 wieder auf: Ein Landwirt aus Flarupgaard (Kreis Schleswig-Flensburg) berichtete über den Fang eines Exemplars. 1970 und 1975 konnte er erneut Tiere beobachten und im Jahr 1997 wiederum eine Maus fangen, die er fotografierte und wieder frei ließ. Zuletzt wurden 2002 in Schleiereulengewöllen im Kreis Schleswig-Flensburg Schädel- und Skelettfragmente gefunden. Weitere Bestandshinweise aus dem Südosten Schleswig-Holsteins konnten bislang nicht durch entsprechende Nachweise abgesichert werden.

In den Jahren 2008 und 2010 versuchte das Umweltministerium mit der Stiftung Naturschutz das Geheimnis um die Waldbirkenmaus zu lüften. In zwei Gebieten Angelns, in denen die oben beschriebenen Nachweise gelungen waren, wurden gezielte Untersuchungen durchgeführt. Flankiert wurden diese Bemühungen durch eine Öffentlichkeitskampagne. Damals konnten keine weiteren Nachweise für das Vorkommen der Art in Schleswig-Holstein erbracht werden. Daher soll ein neuer Anlauf erfolgen, um den Schutz dieser seltenen Art weiter zu verbessern. Einzelheiten stehen noch nicht fest, derzeit hält die Maus allerdings ohnehin Winterschlaf.

Schleswig-Holstein beherbergt aufgrund seiner besonderen geografischen Lage eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten. Hier grenzen verschiedene Großlebensräume mit ihrem typischen Arteninventar aneinander. Arten der kontinentalen Festlandsräume finden sich ebenso wie diejenigen der durch das Meeresklima beeinflussten atlantischen Gebiete und nicht zuletzt der Lebensräume Nordeuropas.

Das Artenhilfsprogramm 2008 trägt den Ansprüchen aller Arten Rechnung und soll helfen, die im Vergleich zu anderen Bundesländern überdurchschnittlich hohen Biodiversitätswerte in Schleswig-Holstein zu bewahren. Besondere Aufmerksamkeit widmet es den so genannten europäischen Arten, also den entweder in der EU-Vogelschutzrichtlinie oder der FFH-Richtlinie besonders erwähnten. Darunter sind besonders attraktive Arten, wie Seeadler und Kranich, Fischotter, Wolf und Laubfrosch, es finden sich aber auch Arten, die in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Eine davon ist die Waldbirkenmaus.

Die Waldbirkenmaus wird in der Liste der vom Aussterben bedrohten Säugetiere des Landes Schleswig-Holstein in der Kategorie 1 „Vom Aussterben bedroht“ gelistet. Sie wird darüber hinaus im Anhang IV der FFH-Richtlinie geführt und genießt damit als streng geschützte Art den höchst möglichen gesetzlichen Schutzstatus.

Verantwortlich für diesen Pressetext:Christian Seyfert, Christiane Conrad
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