Forscher der Ludwig-Maximilian-Universität München http://www.uni-muenchen.de haben entdeckt, wie das körpereigene Regulatorprotein c-MYC zur Krebsentstehung beiträgt. Hohe c-MYC-Konzentrationen, welche in den meisten Tumorarten vorliegen, aktivieren das Enzym SIRT1, das Zellalterung und Zelltod verhindert. Dadurch werden Krebszellen praktisch unsterblich, berichten die Pathologen Heiko Hermeking und Antje Menssen.
Knackpunkt Feedback
Die unbegrenzte Teilungsfähigkeit – die sogenannte Immortalisierung – ist ein zentrales Merkmal von Tumorzellen. Normalerweise verhindern Zellen derart ungebremstes Wachstum durch strenge Kontrollmechanismen, die wuchernde Zellen vorzeitig altern oder absterben lassen. Das Regulatorprotein c-MYC unterläuft diesen Prozess. Die Medizin weiß schon viel über den Wachstum von Krebszellen. „Wie der Krebswachstum auf der molekularen Ebene funktionert, ist noch nicht vollständig verstanden“, sagt Hermeking gegenüber pressetext.
Durch das Regulatorprotein c-MYC wird eine positive Feedbackschleife in Gang gesetzt: c-MYC und SIRT1 werden immer weiter aktiviert. Normale Zellen würden die Feedbackschleife unterbrechen. Sie würden das c-MYC Gen bei fehlenden Wachstumssignalen inaktivieren. In Tumorzellen funktioniert dies nicht mehr und es kommt zur Immortalisierung. „Unsere Befunde legen nahe, dass Tumorarten wie etwa Lymphome, Dickdarm-, oder Brustkrebs, bei denen c-MYC eine zentrale Rolle spielt, besonders stark auf eine pharmakologische Inhibition der an der Feedbackkette beteiligten Enzyme reagieren sollten“, erläutert Menssen die medizinische Bedeutung der Ergebnisse. Insbesondere könnte eine kombinierte Therapie, die an verschiedenen Stellen der Feedbackschleife ansetzt, den Krebs effektiver bekämpfen.
Kontrolle außer Kraft
Das c-MYC Protein steuert zahlreiche grundlegende Prozesse wie Zellwachstum und Zellteilung. Das Protein ist essentiell für Prozesse, bei denen sich Zellen vermehren müssen, wie etwa Embryonalentwicklung und Blutbildung. Zuviel c-MYC allerdings hat fatale Folgen: Eine permanente c-MYC-Produktion kann Zellen immortalisieren und zur Krebsentstehung beitragen. Deshalb wird das c-MYC-Gen, das für die Bildung des entsprechenden Proteins verantwortlich ist, in normalen Zellen sehr streng kontrolliert.
Nur wenn eine Zelle positive Wachstumssignale erhält, wird das Gen aktiviert. Falls diese Sicherung versagt, gibt es sogar noch einen zweiten zellinternen Kontrollmechanismus: Erhöhte c-MYC-Konzentrationen lösen den Zelltod aus. In Tumorzellen funktioniert diese Qualitätssicherung allerdings oft nicht. In einigen Tumoren und Zelltypen wurde sogar beobachtet, dass die Sicherungsmechanismen durch c-MYC selbst unterdrückt werden. „Bisher war weitgehend unklar, wie c-MYC dies schafft“, sagt Hermeking.
Mehrfache Aktivierung
Um die beteiligten Mechanismen aufzuklären, nahmen die Wissenschaftler das Enzym SIRT1 als möglichen Komplizen von c-MYC ins Visier. „SIRT1 erschien uns als geeigneter Kandidat, da für ein verwandtes Enzym bereits gezeigt wurde, dass es in niederen Organismen die Lebensdauer von Zellen verlängern kann. In menschlichen Zellen hemmt SIRT1 einen Regulator, der Zellalterung und Zelltod vorantreibt“, so Hermeking.
Die Forscher konnten zeigen, dass c-MYC das Enzym SIRT1 sogar auf mehreren Wegen aktiviert: Zum einen über die Aktivierung des Enzyms NAMPT (Nicotinamid Phosphoribosyltransferase), das einen für die Funktion von SIRT1 notwendigen Baustein bereitstellt. Zum anderen hemmt c-MYC einen Inhibitor von SIRT1 und verschafft SIRT1 so freie Bahn. SIRT1 wiederum schließt den Kreis, indem es dafür sorgt, dass der c-MYC-Abbau gebremst wird – so entsteht eine positive Feedback-Schleife, in der c-MYC und SIRT1 immer weiter aktiviert werden und letztlich c-MYC in der Zelle akkumuliert.
Rotwein kein Unschuldslamm
Die Ergebnisse der Forscher haben zu einer Nebenerkenntnis geführt: Die lebensverlängernde Wirkung eines täglichen Glases Rotwein wird durch infrage gestellt: Bisher wurde die pharmakologische Aktivierung von SIRT1 durch das im Rotwein enthaltene Resveratrol als gesundheitsfördernd angesehen. Jetzt könnte das Glas Rotwein bei einem vorhandenen Tumor sogar gefährlich sein.
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Professor Heiko Hermeking (Foto: LMU)