Die Putin- und Medwedew-Partei Geeintes Russland hat die angestrebte zwei-Drittel-Mehrheit bei den Parlamentswahlen klar verpasst. Die Macht bleibt trotzdem in denselben Händen konzentriert wie zuvor. Die Chancen auf eine nachhaltige Modernisierung der Wirtschaft und eine Verbesserung der Bedingungen für Investoren aus dem Ausland sind durch die Wahlschlappe aber gestiegen.
„An der Politik wird sich nicht viel ändern. Aber die Ansprüche der russischen Bevölkerung haben sich verändert. Die Menschen wollen Wohlstand und ein Sozialsystem, so wie in Europa. Die Führung muss sich um die Wirtschaft und die Investoren kümmern, sie hat gar keine andere Wahl“, sagt Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik http://www.dgap.org gegenüber pressetext.
An Erdöl gefesselt
Die Russische Führung hat es in den vergangenen zehn Jahren verabsäumt, die Wirtschaft zu diversifizieren. Russlands ökonomisches Wohlergehen hängt nach wie vor von den Preisen für Öl und Erdgas ab. „Dieses Problem hat auch Putin erkannt. Bisher hat niemand eine praktische Lösung gefunden, auch die Opposition nicht“, so Rahr. Außerdem ist der Staat immer noch einer der wichtigsten Unternehmer im ehemaligen Zarenreich. In einem Land, in dem auch der Bankensektor noch von staatlichen Instituten dominiert wird, lassen sich wirtschaftliche Interessen nur solange verfolgen, wie sie mit den Vorstellungen der politischen Führung konform gehen.
„Von einem Rechtsstaat nach europäischem Vorbild ist Russland noch weit entfernt. Korruption und Kriminalität sind immer noch weit verbreitet. Mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation geht Russland aber einen weiteren Schritt in Richtung Rechtssicherheit“, erklärt Rahr. Ursprünglich wollten Putin und Medwedew Moskau zu einem führenden Finanzzentrum entwickeln. Von diesen ehrgeizigen Plänen war im Wahlkampf 2011 nicht mehr viel zu hören. Ausländische Banken beschweren sich über den unfairen Wettbewerb, der staatliche Kreditinstitute bevorzugt. Einige Banken, wie HSBC, Barclays oder Banco Santander haben sich bereits aus Moskau zurückgezogen.
Hohe Wachstumsraten
Investoren bewerten Russland als sehr riskanten Markt. Schon bei geringen Erschütterungen wird Kapital abgezogen. „Zwischen 50 und 70 Mrd. Dollar an Kapital sind dieses Jahr aus Russland geflossen. Die Zahlen muss man sich aber genau anschauen. Es handelt sich nicht mehr um eine Kapitalflucht wie in den 90er Jahren. 40 Prozent des Geldes sind heute russisches Kapital, das im Westen investiert wird. Ein Teil des Kapitals kommt also wieder zurück“, so Rahr. Russland zieht trotz des vergleichsweise hohen Risikos Kapital an. „Die Investoren sind in Russland. Es gibt außer China keinen Markt, der so beständig wächst. Die Verdienstmöglichkeiten sind sehr groß“, so Rahr.
Diese Chancen auf Gewinne wiegen die Risiken auf. „Unter Putin gibt es zumindest einen gewissen Grad an Stabilität. Die Investoren kennen das System und haben sich daran gewöhnt. Man darf die Situation nicht schönreden, aber der bestehende Grad an Stabilität wird jetzt weiterbestehen“, erklärt Rahr. Mit den wachsenden persönlichen Freiheiten für das russische Volk wächst jedenfalls der Druck auf die Regierung. Wer heute nicht mehr mit dem System einverstanden ist, kann zumindest auswandern.
Eine Demokratisierung hält Rahr in absehbarer Zeit für unwahrscheinlich. „Für den Großteil der Bevölkerung ist Stabilität wichtiger als Demokratie. Dass es ohne die Machtkonzentration in Putins Händen Demokratie gäbe, ist nicht wahrscheinlich. Es gibt eher Tendenzen in Richtung stärkerer Zentralisierung und noch mehr Sozialpopulismus“, sagt Rahr.
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Putin: Berechenbarer Partner für Investoren (Foto: Wikipedia, ccDmitry Avdeev)