Karl Beine, Psychiater an der Universität Witten/Herdecke http://uni-wh.de , sprcht in seinem Buch „Krankentötungen in Kliniken und Heimen – Aufdecken und Verhindern“ ein Tabuthema an: „Die Täter, über die wir hier reden, sind keine Menschen, denen es um das Töten selbst geht. Sie sind unfähig, fremdes Leiden zu begleiten. Sind unfähig aus der Situation wegzugehen“, erklärt Beine im pressetext-Interview. Diese Menschen haben den Pflegeberuf gewählt, damit es ihnen selbst besser geht. 331 Fälle untersucht
„Ich glaube nicht, dass die Leute straffällig geworden wären, wenn sie diesen Beruf nicht gewählt hätten“, resümiert Beine. Für ihn ist das Täterprofil eines Pflegers, der Patienten tötet, eindeutig: „Sie sind meist männlich, in ihrem Team meist die Außenseiter und sie geben sich vor ihrer Tat oft zu erkennen. Das Team muss die verdeckten Hinweise nur erkennen können und darf im Alltag nicht darüber hinwegsehen“, so der Autor. Der Experte hat in seinem Buch alle 36 seit 1970 weltweit bekannten Tötungsserien mit 331 Opfern untersucht. „Es gibt eine Dunkelziffer, von der wir keine Ahnung haben. Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt der Forscher.
Beine kommt zum Schluss, dass solche Fälle in jeder Einrichtung vorkommen können, das Risiko aber vermindert werden kann: „Die Täter trugen bei ihren Arbeitskollegen schon Spitznamen wie Todesengel oder Vollstrecker. Daraus kann man sehr gut schließen, dass die Umgebung bereits eine gewisse Form von Aufmerksamkeit aufgebracht hat.“ Die Täter sehen sich in der Regel als barmherzig an, weil sie Menschen von ihrem Leiden erlösen und die vermeintlich menschenunwürdigen Zustände beenden. Nur haben die Opfer in keinem der Fälle um Sterbehilfe gebeten. Diese Menschen töten aber nicht aus Mitleid mit totgeweihten Patienten – sie töten aus Selbstmitleid, sagt Beine.
Täterprofil fast immer gleich
Die Täter versuchen kühl und distanziert zu wirken, zeigen oft einen auffälligen Aktivitätsdrang und inszenieren sich als „Macher“ und „Anpacker“. Dabei verdecken sie aus Sicht von Beine ihre tiefe Selbstunsicherheit. „Sie leiden daran, dass sie nicht so einfach helfen und Leid lindern können, wie sie sich das wünschen. Aber anstatt zu kündigen, fallen sie in eine Identitätskrise, aus der es für sie nur den Ausweg gibt, Patienten, die in ihren Augen besonders leiden, zu töten. Einer der Täter fasste das in die Worte: ‚Das war für beide eine Erlösung‘.“ Diese Mischung aus eigenem und fremdem Leiden bildet ein festes Knäuel. Dabei hätte die Umgebung die Taten verhindern können.
Die Täter zeigen oft eine sehr rohe Sprache gegenüber den Patienten. Ausdrücke wie „krepieren“ sind ebenso an der Tagesordnung wie unverhohlene Drohungen: „Schauen Sie sich den Ex an, wenn’s weiter so lästig sind, dann sind Sie der nächste.“ So werden die Patienten entwertet, aber auch die als sinnlos empfundene eigene Arbeit. „Die Täter töten oft mit Medikamenten, deren Fehlen nicht bemerkt wird. Die Leichenschau wird oberflächlich gehandhabt, Beschwerden von Angehörigen oder Arbeitskollegen über die Täter werden unter den Teppich gekehrt. Dadurch kommt Resignation auf“, beschreibt Beine das Umfeld der Taten.
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Karl Beine: Hat Tötungsserien mit Patienten untersucht (Foto: uni-wh.de)