Die gewaltsamen Unruhen vom August 2011 haben in den Köpfen der britischen Bevölkerung offenbar tiefe Spuren hinterlassen. Um zu verhindern, dass es noch einmal zu ähnlich verheerenden Ausschreitungen kommt, würden viele auch nicht vor sehr drastischen Maßnahmen zurückschrecken, die einen ernsten Eingriff in die Bürgerrechte des Einzelnen bedeuten würden. So gaben bei einer aktuellen Umfrage rund 70 Prozent der erwachsenen Briten an, dass sie es begrüßen würden, wenn soziale Netzwerkseiten wie Facebook oder Twitter während der Zeit ziviler Unruhen vollkommen vom Netz genommen würden. „In einer Demokratie sind die neuen Kommunikationswege allgemein nicht kontrollierbar. Das funktioniert nicht einmal in China“, stellt Politologe Peter Filzmaier im Gespräch mit pressetext klar. Insofern sei jeglicher Ruf nach einer stärkeren Überwachung der sozialen Online-Netzwerke zum Scheitern verurteilt. „Die Forderungen sind zwar verständlich, denn die Leute wollen Sicherheit. Es handelt sich hier aber um eine gesellschaftliche Entwicklung ohne klare Regelungen. Das Recht hinkt der technischen Entwicklung um Jahre hinterher“, so Filzmaier. Die extreme Vielfalt an Kommunikationswegen mache es Staatsorganen praktisch unmöglich, schnell genug auf Entwicklungen wie die Aufstände in London zu reagieren.
Netzwerke wollen keine Zensur
Bei den Online-Communitys selbst kann man freilich recht wenig mit dem überdurchschnittlich ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis der britischen Bevölkerung anfangen. Facebook und Twitter sind ausdrücklich gegen das Abschalten ihrer Dienste im Falle von Ausschreitungen. Entsprechenden Überlegungen, die ursprünglich von Premierminister David Cameron ausgegangen sind, will man jedenfalls nicht nachgeben und warnt stattdessen bereits vor einer neuen Form der Netzzensur (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20110822003 ).
Dass es auf politischer Seite tatsächlich bereits ernstzunehmende Vorstöße in Richtung Social-Media-Sperre gegeben hat, wurde inzwischen auch offiziell von der britischen Innenministerin Theresa May bestätigt. „Ich habe mich mit Vertretern von Facebook, Twitter, BlackBerry sowie der Association of Chief Police Officers und der Metropolitan Police getroffen, um diese Angelegenheit zu besprechen“, wird May vom Wall Street Journal zitiert. „Wir haben dabei eine ganze Reihe von verschiedenen Themen besprochen“, so die etwas kryptische Zusatzinformation.
Stimmungsmache per Social Media
Die Unruhen, die im August 2011 mehrere englische Städte erschütterten, waren anfänglich als friedliche Demonstrationen gestartet, die lediglich die Aufklärung der Erschießung eines Londoner Einwohners durch die Polizei forderte. Kurze Zeit nach dem Zwischenfall tauchten auf sozialen Netzwerken bereits erste Meldungen auf, die versuchten, die Stimmung innerhalb der Bevölkerung weiter aufzuheizen. Bei Twitter wurde in weiterer Folge sogar offen zu Plünderungen aufgerufen. „Kommt alle nach XY! Die Geschäfte werden brennen, es gibt Gratiszeug“, so einer der zahlreichen User-Einträge von damals.
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