New Jersey/Bern (pte/20.09.2011/12:15) Wer gähnt, kühlt sein Gehirn und verhilft ihm damit zu mehr Leistungsfähigkeit. Das behauptet der Evolutionsbiologe Andrew Gallup von der Princeton University http://princeton.edu in der Zeitschrift „Frontiers in Evolutionary Neuroscience“. In Experimenten konnte er zeigen, dass Menschen im Winter viel häufiger gähnen als im Sommer. Seine umstrittene These: Ist die Umgebungsluft zu warm, bewirkt Gähnen keinen Kühleffekt – weshalb wir im Sommer seltener gähnen. Warum Menschen und auch andere höhere Lebewesen gähnen, ist noch immer ungeklärt. Man weiß heute, dass Gähnen nicht die Sauerstoff-Versorgung des Gehirns verbessern soll, wie lange angenommen wurde – sonst würde ja jede Anstrengung zum Gähnen führen. Auch für den beim Schlucken oder Kauen stattfindenden Druckausgleich hat die charakteristische Kieferbewegung keine Bedeutung. Dass sie aufgrund seiner hochgradigen Ansteckbarkeit soziale Funktionen hat, gilt hingegen als unbestritten.
Temperatur-Check im Oberstübchen
Diesen Nachahmer-Effekt machte sich Gallup in seinen Versuchen zunutze. Er zeigte 160 Menschen im Winter und im Sommer in der freien Luft Gähn-Bilder und überprüfte die Reaktion. In der kalten Jahreszeit waren mehr als doppelt so viele Gähner zu beobachten wie in der Hitze, auch nach Berücksichtigung möglicher Störfaktoren wie Luftfeuchte, der im Freien verbrachten Zeit oder der Schlafdauer in der Nacht zuvor.
Viel eher als Gelangweiltsein oder Schlafenwollen signalisiert Gähnen somit Wärmeaustausch, glaubt Gallup. Seine Gehirnkühl-These verfolgt der Wissenschaftler schon seit 2007 (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20070628037 ). Damals zeigte er, dass Nasenatmung, der Aufenthalt in kühlen Räumen oder eine Kühlung per Kühlpäckchen an der Stirn das Gähnen unterdrücken. Bei Ratten konnte er zudem nach dem Gähnen eine Normalisierung von kurz zuvor angestiegener Hirntemperatur feststellen.
Wichtiges Kommunikationsmittel
Konsensfähig dürfte Gallups These allerdings noch kaum sein. Schweizer Forscher um Adrian Guggisberg argumentieren, dass Kühlung der Stirn erfrischt und schon deshalb Müdigkeit und Gähnen vertreibt, zudem kühlt die Nasenatmung das Gehirn weit effektiver als das Gähnen.
„Am ehesten scheint Gähnen eine Form der Kommunikation zu sein, die etwa Tierrudeln hilft, das Einschlafen zu synchronisieren“, so der Neurologe Johannes Mathis vom Inselspital Bern http://www.neuro-bern.ch gegenüber pressetext. Die Gähn-Erforschung sei zwar klinisch nur wenig relevant, wissenschaftlich jedoch genauso spannend wie andere ungeklärte Reflexe wie Schluckauf oder das Niesen, erklärt der Experte.
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