Schleswig. „Ohne die Zinslast durch die charakterlose Schuldenpolitik früherer
Regierungen hätte Schleswig-Holstein einen ausgeglichenen Haushalt und ich könnte sogar alte Schulden zurückzahlen“, sagte Finanzminister Rainer Wiegard am Montag (19. November 2011) bei der Mittelstandsvereinigung (MIT) in Schleswig. So müsse er in diesem Jahr bei einem voraussichtlichen Defizit von 700 Millionen Euro allein eine Milliarde Euro Zinsen für alte Schulden zahlen. „Ohne diese Zinslast könnte ich einen Überschuss ausweisen.“ Auch für die kommenden Jahre, erläuterte Wiegard, stehe die Bewältigung der Vergangenheit im Vordergrund. So würden die bis zum Jahr 2020 prognostizierten Mehreinnahmen von 2,4 Milliarden Euro vollständig durch die Lasten der Vergangenheit aufgezehrt: 1,2 Milliarden Euro für den Abbau des strukturellen Defizits und jeweils 600 Millionen Euro für steigende Zinsen für alte Schulden und zusätzliche Versorgungsleistungen.Ohne die erdrückende Schuldenlast von derzeit 27 Milliarden Euro könnte Schleswig-Holstein rosigen Zeiten entgegenblicken, meinte der Finanzminister. „Deutschland ist besser als andere Staaten aus der Krise heraus gekommen. Das gilt auch für Schleswig-Holstein. Die Beschäftigung in Schleswig-Holstein ist auf einem Rekordniveau, die Arbeitslosenquote so niedrig wie seit 1993 nicht mehr, und die Steuereinnahmen entwickeln sich prächtig.“ Schleswig-Holstein habe in den ersten acht Monaten des Jahres fast 800 Millionen Euro Steuern mehr eingenommen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. „Aber diese ungeplanten Einnahmen stehen nicht für neue Aufgaben zur Verfügung. Wir werden damit die geplante Neuverschuldung senken. Nur so können wir den Anstieg der Zinslast bremsen und Handlungsspielraum für die Zukunftsaufgaben gewinnen. Das gebietet die Verantwortung für unsere Kinder und Enkel“, erklärte Wiegard. Niemand habe das Recht – kein Parlament und keine Regierung – heute noch nicht geborene Generationen mit Schulden zu belasten, um sich heute ein angenehmeres Leben zu leisten, weil man nicht mit dem Geld auskommen will, das man erwirtschaftet.
Er bekräftigte das Ziel, vom Jahr 2020 an keine neuen Schulden mehr zu machen. „Wenn die günstige Entwicklung der Wirtschaft und der Steuereinnahmen anhält, dann wollen wir schon früher keine neuen Schulden mehr machen und früher damit beginnen, den Schuldenberg wieder abzubauen“, sagte der Finanzminister.
Wiegard hob hervor, dass die Landesregierung den Haushalt nicht nur konsolidiere, sondern innerhalb des Haushalts auch Mittel umschichte. „Dies ermöglicht es uns, politische Schwerpunkte zu setzen und wichtige Ziele neben dem Abbau des strukturellen Defizits zu erreichen. Mir kommt es sehr darauf an, dass wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken und die Bildungschancen junger Menschen verbessern. Insgesamt fließen in den Jahren 2011 bis 2015 630 Millionen Euro in die Kinderbetreuung. Das ist fast doppelt so viel wie im Zeitraum von 2005 bis 2009 – und das bei gleichzeitig sinkender Kinderzahl“, stellte Wiegard fest. Die Unterrichtsversorgung an den Schulen konnte bis 2010 deutlich verbessert werden und wird – bei sinkender Schülerzahl – auf hohem Niveau gehalten.
Außerdem gelte es, den Forschungs- und Wissenschaftsstandort zu fördern, um den in den 1990er Jahren verlorenen Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung anderer Länder weiter aufzuholen. Denn die Wettbewerbsfähigkeit der schleswig-holsteinischen Unternehmen sei abhängig von deren Innovationsgrad. Die Ausgaben für den Bereich Hochschule, Wissenschaft und Forschung sind von 622 Millionen Euro im Jahre 2007 kontinuierlich angestiegen. Sie betragen im Jahre 2012 712 Millionen Euro und bleiben auch danach auf diesem deutlich gesteigerten Niveau.
Als weiteres wichtiges Ziel nannte der Finanzminister eine wettbewerbsfähige Infrastruktur mit leistungsfähigen Verkehrswegen, um die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Die Landesregierung setze u.a. auf die Feste Fehmarnbeltquerung, auf den Weiterbau der A 20, den weiteren Ausbau der A 23 bzw. B5, den Ausbau der A 7 sowie den Ausbau der B 404 zur A 21. Mit einer deregulierten, schlanken Verwaltung solle außerdem ein investitionsfreundliches Klima entstehen.
Zu den Schwerpunkten der Politik der Landesregierung gehören nach Angaben von Finanzminister Wiegard auch Länder übergreifende Kooperationen: „Die norddeutsche Zusammenarbeit trägt zum einen dazu bei, Synergien zu heben und damit Kosten zu senken. Zum anderen können durch Abstimmung politischer Positionen gemeinsame norddeutsche Interessen besser gegenüber der Europäischen Kommission, dem Bund und den übrigen Ländern vertreten werden – ich denke hier zuerst an die Verkehrspolitik.“ Eine besondere Bedeutung habe die Zusammenarbeit in der Metropolregion Hamburg. Wiegard wies darauf hin, dass noch in diesem Jahr das Verfahren zur vorgesehenen Erweiterung der Metropolregion um die Städte Lübeck und Neumünster sowie den Kreis Ostholstein durchgeführt werde. Die Arbeitsgemeinschaft der Hamburg-Randkreise habe der Aufnahme bereits zugestimmt.
Matthias Günther | Kiel |