Zur Weigerung der chinesischen Behörden, beim Prozess gegen die Bürgerrechtsaktivistin Wang Lihong eine Beobachtung durch Vertreter der EU Botschaften zuzulassen, erklärte Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, heute (12.08.): „Die Vertreter der chinesischen Regierung betonen immer wieder, dass China ein Rechtsstaat sei. Transparenz und Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren sind wesentliche Elemente von Rechtsstaatlichkeit. Ich habe daher keinerlei Verständnis dafür, dass die Beobachtung des Prozesses gegen Wang Lihong durch Vertreter der deutschen und anderer europäischer Botschaften von chinesischen Behörden verhindert worden ist.
Sowohl die Vorwürfe gegen Wang Lihong als auch die unangemessen lange Untersuchungshaft erwecken den Eindruck politischer Verfolgung. Ich fordere die zuständigen Behörden auf, Wang Lihong – auch angesichts ihres Gesundheitszustandes – sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen und den Prozess gegen sie einzustellen.
Die chinesische Regierung muss die Meinungs- und Versammlungsfreiheit seiner Bürgerinnen und Bürger endlich respektieren und schützen.“
Zusätzliche Informationen: Wang Lihong ist eine Pekinger Bürgerrechtlerin, die sich seit Jahren u.a. für Obdachlose, mittellose Petenten, die Familien von inhaftierten Menschenrechtsaktivisten und Aufklärung in Fällen von Behördenwillkür einsetzt. Im Oktober 2010 wurde sie zu 8 Tagen Administrativhaft verurteilt, nachdem sie mit Freunden die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo gefeiert hatte.
Die jetzt gegen Wang Lihong erhobene Anklage bezieht sich auf einen bereits länger zurückliegenden Vorfall: Im April 2010 nahm Wang an einem friedlichen Protest vor einem Gericht im südchinesischen Fujian teil, als dort drei Internetaktivisten zu Haftstrafen verurteilt wurden. Unter dem Vorwurf „eine Menschenmenge zum Zweck der Störung des Verkehrs versammelt“ zu haben, wurde sie am 21. März 2011 aus ihrer Pekinger Wohnung abgeholt und am 21. April 2011 offiziell für verhaftet erklärt.
Amnesty International hat vor dem heutigen Prozessauftakt kritisiert, dass der Kontakt von Wang Lihong mit ihrem Verteidiger Han Yicun stark beschränkt gewesen sei, ebenso die Möglichkeiten der Akteneinsicht durch den Rechtsanwalt. Nach seinen Angaben ist Wangs Gesundheitszustand nach über vier Monaten Haft schlecht, u.a. leide sie an chronischen Rückenschmerzen. Wang Lihong habe sich aber geweigert, ein Geständnis zu unterschreiben.
Der heutige Prozessauftakt vor dem Volksgericht des Pekinger Chaoyang-Distrikts fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und starker Polizeipräsenz statt. Vor dem Gebäude hatten sich bei sengender Hitze ca. 150 friedliche Demonstranten aller Altersgruppen und ca. 30 in- und ausländische Journalisten versammelt. Viele Demonstranten hielten Plakate und riefen „Wang Lihong ist unschuldig“, als ein Polizeitransporter offenbar die Angeklagte in das Gerichtsgebäude brachte.
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