Die EHEC-Epidemie mit landesweit 855 bestätigten Infektionen und 200 HUS-Fällen hat die Kliniken in Schleswig-Holstein nicht nur medizinisch vor große Herausforderungen gestellt. Nach Abklingen der Krise sind vor allem die kommunalen Krankenhäuser und das einzige landeseigene Klinikum mit enormen finanziellen Belastungen konfrontiert. „Während der Ausnahmesituation hat die Krankenversorgung in Schleswig-Holstein akute Höchstleistung bewiesen. Jetzt ist der Bund gefordert, Lösungen aufzuzeigen, wie Katastrophen zukünftig aufgefangen werden sollen“, sagt Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH). Diejenigen, die wochenlang über eigene Belastungsgrenzen für die Gesundheit ihrer Patienten gekämpft haben, dürfen jetzt nicht auch noch mit den wirtschaftlichen Nachteilen allein gelassen werden – oder vertröstet werden, bis die Frage nach einem volkswirtschaftlichen Schaden oder Versicherungsschaden entschieden ist.
Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein führte die EHEC-Epidemie zu einem Verlust von mindestens 2,8 Mio. Euro. 238 EHEC-Patienten wurden hier ambulant und stationär versorgt (mehr als ein Viertel aller Patienten in Schleswig-Holstein) sowie 106 HUS-Patienten (mehr als die Hälfte aller Patienten in Schleswig-Holstein). 42 Patienten werden derzeit noch versorgt, fünf von ihnen auf der Intensivstation. „Aus unserer Verantwortung als einziger Maximalversorger in Schleswig-Holstein ergeben sich in diesem Fall auch die höchsten Belastungen, da wir mehr EHEC-Patienten versorgt haben als jedes andere Krankenhaus“, sagt Prof. Dr. Jens Scholz. Mit Beginn der Infektionswelle wurden unbürokratisch zusätzliche Isolierstationen – teilweise in Privatstationen – eingerichtet, Maschinen zur Blutreinigung organisiert und Operationen verschoben. Ärzte, Pflege- und Servicekräfte haben seit Ausbruch der Krise Überstunden rund um die Uhr geleistet. Zusätzlich wurden 50 weitere freiwillige Pflegekräfte von anderen Universitätskliniken aus ganz Deutschland eingesetzt, um die Versorgung in Schleswig-Holstein aufrecht zu erhalten.
Die wirtschaftlichen Fehlbeträge des UKSH in Folge der Krise setzen sich aus zusätzlichen Sach- und Personalkosten, dem Mehrerlösausgleich bei den Zusatzentgelten und entgangenen Erlösen durch Bettensperrungen für EHEC-Patienten zusammen. Die ungeplanten Sachkosten in Höhe von 166.500 Euro entstehen durch Mietkosten für medizinische Geräte und Betten, Hotel- und Reisekosten für zusätzliches Personal sowie Mehraufwand der Servicegesellschaft des UKSH. Der Mehrbedarf an ärztlichem Personal, Labor-, Pflege- und Dialyse-Fachkräften verursachte einen Verlust von 342.000 Euro. Hinzu kommen 441.000 Euro Verlust aus der Rückzahlungsverpflichtung für Zusatzentgelte (beispielsweise für Dialysen oder Plasmapherese), die über das mit den Kostenträgern vereinbarten Budget hinausgehen und daher nur zu 35 Prozent erstattet werden. Aufgrund entgangener Erlöse durch Bettensperrungen für EHEC-Patienten entsteht dem UKSH zudem ein Schaden von 1.853.500 Euro.
Auch die regionalen Krankenhäuser des 5K Klinikverbundes Schleswig-Holstein und das Städtische Krankenhaus Kiel stehen angesichts der hohen Kosten in Folge der EHEC-Infektionen vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen. „Es kann und darf nicht sein, dass ein Krankenhaus, welches seinem Versorgungsauftrag nachkommt, durch unausgereifte Vergütungsformen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten kann“, sagt Martin Wilde, Geschäftsführer des 5K Klinikverbundes Schleswig-Holstein, in dem sich das Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster, das Klinikum Itzehoe, die imland Kliniken Eckernförde/Rendsburg, das Klinikum Bad Bramstedt und die Westküstenkliniken Brunsbüttel und Heide gGmbH zusammengeschlossen haben. Entgegen eines fälschlich entstandenen Meinungsbildes seien die Patientenzahlen durch die EHEC-Infektionen in den regionalen Krankenhäusern keineswegs gestiegen. Denn durch die Unterbringung der isolierten Patienten in Einbettzimmern standen den Kliniken insgesamt ebenfalls weniger Betten für die „Normalversorgung“ zur Verfügung. Diese Situation hat nicht nur die Fallzahlen verringert sondern auch die Erlöse geschmälert. Da eine EHEC-Erkrankung im DRG-Katalog nicht vorgesehen ist, ist eine wirtschaftliche Abrechnung in vollem Leistungsumfang nicht möglich. „Uns droht ein wirtschaftlicher Schaden also in doppelter Hinsicht“, sagt Martin Wilde.
Am Beispiel der 5-K-Kliniken sowie dem Städtischen Krankenhaus in Kiel lassen sich die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie für die regionalen Krankenhäuser darstellen: Insgesamt wurde in den ersten 28 Tagen ein entgangener Erlös von 2.615.000 Euro verzeichnet. Die Vergütung für die EHEC-Patienten wird mit 856.000 Euro bewertet, so dass insgesamt ein wirtschaftlicher Schaden durch einen entgangenen Erlös von rund 1.759.000 Euro darzustellen ist. Anders als im UKSH laufen durch die geringeren Fallzahlen deutlich weniger Sach- und Personalkosten auf (Pro Klinik ca. 20.000 Euro für 28 Tage).
Ebenso wie das UKSH hoffen die 5K-Kliniken nun, dass sich die Politik diesem Thema sehr schnell annimmt, da die Verluste heute von den betroffenen Kliniken nicht verkraftet werden können. „Solche oder ähnliche Erkrankungswellen können jederzeit wieder auftreten. Hier gilt es, für die Zukunft politisch die richtigen Weichen zu stellen und über Sonderfonds oder ähnliche Vergütungstöpfe eine vernünftige Regelung für die betroffenen Kliniken zu schaffen“, sagt Martin Wilde.
Oliver Grieve, Pressesprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein