Welche Erwartungen haben sie an die Gespräche nachher in Ramallah? Wir wissen ja, im Spätsommer/Frühherbst steht eine schwierige politische Situation an, was wollen Sie den Partnern hier in Nahost sagen?
Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir hier im Nahen Osten nicht in eine sehr gefährliche Sackgasse mit einem erheblichen Eskalationsrisiko geraten. Deswegen bemühen wir uns im Rahmen unserer außenpolitischen Aktivitäten und mit unseren diplomatischen Initiativen eine Konfrontation vor allen Dingen im Herbst zu vermeiden. Jetzt geht es darum, dass Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Es ist ganz klar, dass die Zeit gegen alle arbeitet und für niemanden. Der Stillstand ist gefährlich. Die Sprachlosigkeit ist gefährlich in einer ohnehin schon sehr unruhigen Situation hier in der gesamten Region, und deswegen bemühen wir uns auf beide Seiten einzuwirken, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden und es wieder zu direkten Gesprächen kommt.
Haben sie denn Signale? Ist eine der Seiten eher bereit zu reden? Müssen Sie woanders mehr einwirken?
Das Schlimmste ist die Sprachlosigkeit. Das Schlimmste ist die festgefahrene Situation. In Kombination mit den Umbrüchen in der arabischen Welt kann sich das sehr schnell in eine explosive Lage entwickeln. Das gilt es gemeinsam mit unseren Bündnispartnern zu verhindern. Wir haben uns letzte Woche intensiv in Washington mit Präsident Obama und Außenministerin Clinton ausgetauscht. Wir wollen gemeinsam verhindern, dass es einseitige Schritte gibt. Dazu zählt die Fortsetzung der Siedlungspolitik genauso wie die einseitige Ausrufung eines Palästinenserstaates. Das alles würde die Gefahr einer Eskalation vergrößern.
Glauben sie dass Deutschland hier wirklich ein Gewicht hat und gehört wird im Nahen Osten? …
Gerade im Nahen Osten hat Deutschland ein großes Gewicht. Das hängt damit zusammen, dass wir als verlässliche Freunde Israels bekannt sind. Dass wir aber auch vor allen anderen Staaten in der europäischen Union handfest unseren Beitrag dazu geleistet haben, dass ein eigener lebensfähiger palästinensischer Staat aufgebaut werden kann. Und diese Politik macht uns zu fairen und ehrlichen Maklern. Wir sind also in einer Lage, wo wir unseren guten Freunden in Israel sagen können und auch sagen müssen, zeigt mehr Flexibilität für Verhandlungen. Gleichzeitig aber haben wir auch die notwendige Autorität gegenüber den Palästinensern, dazu zu raten, einseitige Schritte in den Vereinten Nationen zu unterlassen. Wenn jetzt einseitige Schritte unternommen werden, dann mag das gut gemeint sein und es mag vielleicht auch der eigenen Gefühlslage entsprechen, aber wenn man es zu Ende denkt, ist die Gefahr sehr groß, dass daraus ein erhebliches Eskalationspotential erwächst. …
Die gesamte Region ist im Umbruch. Und das ist eine Herausforderung für die Politik im Nahen Osten. Es ist aber zugleich auch eine Chance. Es gibt ja eine Wechselbeziehung zwischen dem arabischen Frühling und Chancen im Nahostfriedensprozess.
Genau wo wir jetzt hier stehen (Anm.: auf dem Ölberg), sieht man wie durch ein Brennglas das Konfliktpotential. Deswegen ist es das Wichtigste, dass wir unsere Partner fair und abgewogen dazu aufrufen, zu den Verhandlungen zurückzufinden.
Es gibt mittlerweile eine offene Konkurrenz zwischen den französischen und amerikanischen Vermittlungsversuchen“. Welcher Seite gegenüber ist Deutschland loyal?
Ich finde, dass man derartige Vermittlungsgespräche nicht in einer Konkurrenz zueinander sehen sollte. Ich glaube auch, dass es unangemessen wäre, wenn ein Konkurrenzdenken in diesen Nahost-Friedensprozeß mit eingebracht würde. Das würde die Lage nur erschweren und weitere Bemühungen erschweren. Wir Deutsche sind der Überzeugung, dass das Quartett eine wesentliche Rolle spielen kann. Wir drängen beide Seiten fair und abgewogen zur Flexibilität und zur Wiederaufnahme von Verhandlungen. Wir raten beiden Seiten von einseitigen Schritten ab.
Auswärtiges Amt