Immer wenn medizinische Maßnahmen mit hohen Kosten verbunden sind, schlägt die Stunde der Gesundheitsökonomen. Fünf Fragen zu Nutzen, Risiken und Kosten der HPV-Impfung an den Oncotyrol-Experten Prof. Uwe Siebert. Siebert leitet den Bereich Health Technology Assessment und Gesundheitsökonomie im Krebsforschungszentrum Oncotyrol und das Department für Public Health an der Privaten Universität für Health & Life Sciences UMIT.
Frage: Herr Prof. Siebert, inwiefern kann Ihr Forschungsgebiet, das Health Technology Assessment, dazu beitragen, die Verunsicherung bezüglich der HPV-Impfung zu beseitigen?
Siebert: Wir bewerten ein medizinisches Verfahren, indem wir unter Verwendung mathematischer Modelle Langzeitnutzen und -risiken für den Patienten abschätzen und gegeneinander abwägen. Auf diese Weise übernimmt Health Technology Assessment die Rolle des Advokaten für den Patienten. Überwiegen die positiven Gesundheitseffekte, kommt die Ökonomie ins Spiel: Welcher Preis muss für den Gesundheitsgewinn bezahlt werden? Lässt sich vielleicht mit demselben Ressourceneinsatz auf andere Weise ein höherer Nutzen für den Patienten erreichen? Das sind die Fragen, die unsere Modelle beantworten können.
Frage: Welche Risiken müssen bei der Bewertung der Impfung berücksichtigt werden?
Siebert: Bei einer Impfung besteht immer das Risiko einer Nebenwirkung. Das Risiko einer schweren Nebenwirkung ist bei der HPV-Impfung relativ niedrig. Auf der anderen Seite haben die Frauen ohne Impfung natürlich ein erhöhtes Risiko, Gebärmutterhalskrebs zu bekommen. Außerdem ist auch das derzeitige Früherkennungsverfahren, die zytologische Untersuchung vom Abstrich aus der Gebärmutterschleimhaut (PAP-Abstrich), nicht perfekt, da viele Fälle übersehen werden und es deshalb besonders wichtig ist, dass die Frauen regelmäßig an der Früherkennung teilnehmen. Im Rahmen des engmaschigen Screenings kommt es aber auch zu negativen Effekten, z.B. der Sorge der Frauen nach unklaren Testergebnissen bzw. einer beachtlichen Zahl an Eingriffen am Gebärmuttermund, um die Krebsvorstufen zu beseitigen. Diese Eingriffe sind ebenfalls mit Risiken verbunden, insbesondere für spätere Schwangerschaften. Optimal wäre daher eine intelligente Kombination von Impfung und regelmäßigem Screening beim Frauenarzt.
Frage: Ist die Impfung ihren sehr hohen Preis wert?
Siebert: Die HPV-Impfung wurde vom Ludwig Boltzmann Institut in Wien und anderen Experten bewertet und wir sind in unserer Veröffentlichung zu dem Schluss gekommen, dass sie langfristig und aus gesamtgesellschaftlicher Sicht kosteneffektiv ist. Kurzfristig kann die Impfung kaum patientenrelevanten Nutzen bringen, da sich Gebärmutterhalskrebs erst viele Jahre nach der Virusinfektion entwickelt. Gesamtgesellschaftlich heißt, dass nicht nur die Kosten für das Gesundheitssystem, sondern auch anderweitige Kosten mitberücksichtigt werden, beispielsweise der Ausfall an Arbeitszeit durch eine Krebserkrankung. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist es auf lange Sicht empfehlenswert zu impfen und zu screenen. Dabei sollte nach unseren Berechnungen bei der Früherkennung der HPV-Test eingesetzt werden. Will man auch die Jungen als mögliche Überträger impfen, so wäre die nur bei einer maßgeblichen Preisreduzierung kosteneffektiv.
Frage: Österreich ist mit der derzeitigen Impfrate von fünf Prozent für Gebärmutterhalskrebs „Entwicklungsland“, wie Harald zur Hausen formulierte. Was muss getan werden, damit die Impfrate steigt?
Siebert: Der Preis der Impfung ist sehr hoch – da wären die Hersteller am Zug. Eine Erstattung der Kosten durch die Gesundheitsträger allein reicht wahrscheinlich nicht aus, um die Akzeptanz zu steigern. Dafür ist die Unterstützung von Ärzten, Lehrern und Eltern nötig. Hier muss Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Frage: In Ihrer Forschung an der UMIT und demnächst auch in Oncotyrol beschäftigen Sie sich auch mit neuen Früherkennungsstrategien, um die Infektion mit dem Virus nachzuweisen. Ist das HPV-Screening empfehlenswert?
Siebert: Das zytologische Screening Verfahren (der PAP-Abstrich) findet Gewebeveränderungen, also Krebsvorstufen, die chirurgisch entfernt werden. Man kann aber auch die HPV-Viren selbst in einem Screeningverfahren nachweisen. Unsere entscheidungsanalytischen Untersuchungen haben gezeigt, dass ein intelligenter Einsatz des HPV-Tests das Risiko unnötiger invasiver Eingriffe reduzieren kann, ohne dabei an Wirksamkeit zu verlieren und ohne erhöhte Kosten zu verursachen. Im Rahmen von Oncotyrol wollen wir diese Studien weiter fortführen und zusammen mit den klinischen Kolleginnen und Kollegen wertvolle Evidenz zur Entscheidungsunterstützung im österreichischen Gesundheitssystem erarbeiten.
CEMIT – Center of Excellence in Medicine and IT GmbH