Hubert Siegmund, der einzige hauptberufliche Konstrukteur von Modellbaubögen in Deutschland, hat den Kartonmodellbau revolutioniert. Für den Verlag J. F. Schreiber entwarf er von 1956 bis 1989 auf seinem Reißbrett in Überlingen für Erwachsene und Kinder Flugzeuge, Fahrzeuge, Schiffe, Gebäude und Figuren. Es gab fast nichts, was er nicht auf den Bogen brachte. Mehr als 200 Exponate geben vom 1.4. bis zum 30.10.2011 in der Ausstellung des Städtischen Museums Überlingen Einblick in die faszinierende Welt des Überlinger Meisters.
So schwierig manche Modelle Hubert Siegmunds auch aussehen mögen: „Man bekommt sie immer zusammengebaut und kriegt die Hände auch wieder raus“, versichert Dieter Nievergelt, Vorsitzender des „Arbeitskreis Geschichte des Kartonmodellbaus e. V.“ und einer der besten Kenner des Modellbaus. Die richtungweisenden Hauptleistungen von Siegmund liegen in der unvergleichlichen Logik der Konstruktionen, der ungemeinen Präzision in der Abstimmung der Einzelteile und darin, dass die Bauanleitungen hauptsächlich aus anschaulichen Bildern bestehen. „Mein Mann hat immer gesagt: ‚Die einzelnen Teile müssen zueinander fallen’“, erinnert sich die heute 88jährige Terese Siegmund. Sie hat bedeutenden Anteil am Lebenswerk des einzigen hauptberuflichen Konstrukteurs von Modellbaubögen Deutschlands. Hand in Hand mit ihm arbeitend, war sie vor allem für die Farbgestaltung der Modelle verantwortlich.
Von Haus aus technischer Zeichner, gelangte Hubert Siegmund (1916 Halle – 1989 Überlingen) über eine Annonce des Verlags J. F. Schreiber zu einer Stelle als Konstrukteur für Modellbaubögen. Mit Engagement und Hingabe entwarf er von 1957 bis kurz vor seinem Tod 1989 für den Verlag Flugzeuge, Fahrzeuge, Schiffe, Gebäude und Figuren. Das Spektrum reicht von Asterix über das Brandenburger Tor, die Boeing 707, die Burg Eltz, Max und Moritz, den Stuttgarter Fernsehturm und die Wartburg bis zum Zeppelin.
Der Meister, wie ihn sein Verleger Gerhard Schreiber gern nannte, entwarf seine Modelle nach den Originalplänen der Vorbilder. Gab es sie nicht, erstellte er selbst Dokumentationen mit Bauaufnahmen und Fotografien. Siegmunds Tochter Michaela erinnert sich: „Als Kind war ich mit dabei, als wir zur Burg Eltz an die Mosel gefahren sind. Mein Vater hat sie von allen Seiten fotografiert, ist sie abgegangen und hat sie vermessen.“ Auch die Perfektion ihres Vaters ist ihr in Erinnerung geblieben: Er habe tagelang getüftelt, um Figuren wie Pippi Langstrumpf und Räuber Hotzenplotz den richtigen Ausdruck zu verleihen.
Die Ausstellung „Von Asterix bis Zeppelin. Hubert Siegmund – ein Überlinger Meister des Kartonmodells“, die im Städtischen Museum Überlingen vom 1. April bis zum 30. Oktober 2011 zu sehen ist, wird bei all denen nostalgische Erinnerungen wecken, die Siegmunds Modelle gebaut und mit ihnen gespielt haben. Gleichzeitig bietet sie Kindern und Jugendlichen die faszinierende Möglichkeit, populäres Spielzeug ihrer Eltern und Großeltern kennenzulernen.
Zur Ausstellung
In den drei Ausstellungsräumen werden die wichtigsten Facetten aus Siegmunds Lebenswerk beleuchtet: Siegmund als „Ingenieur“ und „Denkmalpfleger“, die Modellentwicklung und seine Modelle als Spielzeug der Nachkriegszeit.
Am Beginn des Rundgangs macht eine Gegenüberstellung der von Siegmund geschaffenen Figuren des Asterix und seiner Gefährten mit Uderzos gezeichneten Vorbildern die Besonderheiten des Kartonmodells anschaulich. Dies ist möglich, weil der Rechteinhaber der deutschen Fassung des Kult-Comics in Überlingen ansässig ist und die Ausstellung unterstützt.
Siegmunds Interesse am Beruf des Ingenieurs thematisiert die Ausstellung in einer großen Auswahl von Flugzeugen, die über den Köpfen der Besucher schweben, und von Schiffen. Unter anderem wird hier das Modell des berühmten – und aktuell in Verruf geratenen – Segelschiffs „Gorch Fock“ präsentiert. Am Beispiel der legendären „Junkers JU 52“ sind die Schritte sichtbar, in denen die einzelnen Teile zum fertigen Modell zusammengefügt werden.
Aktuelle und historische Bauwerke aus Karton veranschaulichen das zeittypische Interesse des Konstrukteurs an moderner und historischer Architektur. Unter dem Motto „Heute bauen, was es morgen nicht mehr gibt“ betrieb Hubert Siegmund eine besondere Form der Denkmalpflege. Eindrucksvoll führen zwei Spitzenstücke der Ausstellung dieses Anliegen vor Augen: die von Terese Siegmund handkolorierte „Villa Blumenthal“ und das mittelalterliche Städtchen, dessen Gebäude zum Teil Ähnlichkeit mit Überlinger Häusern und Kirchen haben.
Den Bezug zur Wahlheimat Bodensee, wo Siegmund seit 1950 mit seiner Frau Terese gelebt und gearbeitet hat, macht die Ausstellung u. a. mit Modellen des „DLZ 127 Graf Zeppelin“ und des Raddampfers „Hohentwiel“ deutlich, die in einer eindrucksvollen Bodensee-Kulisse gezeigt werden.
Der „Werkstatt“-Raum gibt Einblicke in Siegmunds technische Arbeiten und zeigt, wie ein Bogen entstanden ist. Neben Skizzen, Reißbrett und weiteren Arbeitsgeräten von Hubert und Terese Siegmund finden sich hier auch Modelle von Kleinwagen, die Siegmund als technischer Zeichner für den Straßenverkehr entworfen hat.
Karussells, Buden, UFOs, Märchen- und Comic-Figuren und vieles mehr, was Hubert Siegmund eigens für Kinder entwickelt hat, vermitteln im Raum „Kinderwelt“ Aspekte der Spielkultur seit den 1950er-Jahren und damit auch ein Stück Zeitgeschichte und Lifestyle.
Das Wichtigste in Kürze
Titel
Von Asterix bis Zeppelin. Hubert Siegmund – ein Überlinger Meister des Kartonmodells
Laufzeit
1. April – 30. Oktober 2011
Ort
Städtisches Museum Überlingen (Krummebergstr. 30, 88662 Überlingen)
Öffnungszeiten
Dienstag – Samstag 9.00 Uhr – 12.30 Uhr und 14.00 Uhr – 17.00 Uhr
Sonn- und Feiertags 10.00 Uhr – 15.00 Uhr
Montags sowie Dienstag nach Ostern und Dienstag nach Pfingsten geschlossen
Eintritt
€ 5,00 / Ermäßigungen
Förderer
walz2consult, Überlingen, Stadtwerke Überlingen GmbH, AUE-Verlag, Mockmühl
hirthe | engel Kultur + Kommunikation GmbH