„Wir müssen uns besser auf drohenden Lehrkräftemangel vorbereiten“ – Bildungsministerin Karin Prien will bis Ende des Jahres genauen Personalbedarf ermitteln und ein Maßnahmenpaket vorlegen

KIEL, 01.09.17 – „Schleswig-Holstein liegt geografisch ganz oben – ich arbeite dafür, dass wir auch auf möglichst vielen bildungspolitischen Feldern weit nach oben kommen“, sagte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien gestern (31. August) auf der Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn…

„Für rund 373.100 Schülerinnen und Schüler beginnt in der kommenden Woche das neue Schuljahr. Ihnen und unseren Lehrerinnen und Lehrern wünsche ich einen guten Start und ein erfolgreiches neues Schuljahr. Insbesondere aber wünsche ich den rund 24.100 Erstklässlern einen schönen Schulanfang“, sagte Ministerin Prien.

Bessere Grundschulen

„In den ersten Schuljahren werden die Weichen für die gesamte Schullaufbahn gestellt. Darum werden wir die Arbeit an den Grundschulen besonders in den Blick nehmen“, so Prien. „Wir wollen den Kindern in der Grundschule ein solides Wissensfundament vermitteln. Deshalb werden wir die Fachanforderungen für Mathematik und Deutsch für die Grundschulen noch einmal überarbeiten und verbessern“, sagte sie. Unter anderem soll die verbundene Schreibschrift verpflichtend werden um den Kindern von Anfang an das richtige Schreiben zu vermitteln. Bis zum Ende der vierten Klasse solle jedes Kind einen Grundwortschatz von rund 800 Wörtern beherrschen. Zudem werde die Zeugnisordnung so geändert, dass es ab der dritten Klasse Notenzeugnisse gebe. Ein weiterer Beitrag zur Verbesserung der Grundschulbildung sei die Anhebung der Unterrichtsstunden ab dem kommenden Schuljahr.

Zu einer guten Grundschulbildung gehört nach Ansicht von Ministerin Prien auch ein verlässliches Ganztagsangebot. „Die Eltern sollen sich darauf verlassen können, dass ihr Kind auch nach dem Unterricht gut betreut wird“, sagte sie. Bis 2022 sollten deshalb auch die letzten 33 Grundschulen, die noch kein Ganztagsangebot haben, entsprechend ausgebaut werden. Allerdings benötige das Land für die Aufgabe die finanzielle Unterstützung des Bundes.

Mehr Unterricht

„Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte haben einen Anspruch auf ein leistungsstarkes und wettbewerbsfähiges Schulwesen. Das ist auch unser Ziel“, betonte Karin Prien. Dazu gehöre an erster Stelle die 100-prozentige Unterrichtsversorgung. Allen Schulen – auch den kleinen Grundschulen auf dem Land – sollten genügend Lehrkräfte zur Verfügung gestellt werden, damit die Qualität von Schule und Unterricht gewährleistet sei. „Das ist eine Herausforderung auch angesichts des zu erwartenden Lehrkräftemangels“, sagte Prien. Da bestehe dringender Handlungsbedarf, denn die Vorgängerregierung habe ein nicht zufriedenstellendes Fundament hinterlassen. „Derzeit arbeiten wir mit Hochdruck daran, uns ein möglichst genaues Bild vom Bedarf über alle Schularten und Fachrichtungen hinweg zu verschaffen“, so Prien.

Lehrkräftegewinnung

„Aktuelle Studien und Prognosen deuten darauf hin, dass die Schülerzahlen auch in Schleswig-Holstein weiter steigen werden und wir stehen im Wettbewerb mit 15 anderen Bundesländern“, so Ministerin Prien. Vor diesem Hintergrund müsse die Lehrkräftegewinnung dringend intensiviert werden. Die bisher getroffenen Maßnahmen reichten nicht aus.

An erster Stelle stehe dabei die verstärkt fundierte und schulart- und bedarfsgerechte Ausbildung junger Nachwuchslehrkräfte an den beiden Hochschulen in Flensburg und Kiel. Derzeit seien dort insgesamt rund 7.100 Lehramtsstudierende eingeschrieben. „Wir werden die Berufsschullehrerausbildung stärken und die Zahl der Studierenden im Studiengang Lehramt an berufsbildenden Schulen an der Europauniversität Flensburg erhöhen“, sagte die Ministerin. Auch auf den gestiegenen Bedarf an sonderpädagogischer Kompetenz in den Schulen habe man in Flensburg reagiert und die Zahl der Studienplätze in dem zulassungsbeschränkten Bachelorstudiengang Sonderpädagogik von 120 auf 160 angehoben. Damit könnten seit dem Wintersemester 2016/17 jährlich mehr als 30 Prozent zusätzliche Studierende aufgenommen werden.

Um kurzfristig entstehende Bedarfe decken zu können, sollen die Möglichkeiten für den Quer-, Seiten und Direkteinstieg in den Schuldienst weiter ausgebaut werden. Das Land habe bereits gute Erfahrungen mit diesen Lehrkräften gemacht, die in Schleswig-Holstein nach ihrem Fachstudium gezielt auf den Schuldienst vorbereitet und pädagogisch-didaktisch qualifiziert werden. „Niemand kommt ohne Hochschulstudium an eine Schule und Quer-, Seiten- und Direkteinsteigerinnen und -einsteiger erhalten ein hervorragendes pädagogisches Rüstzeug“, betonte Ministerin Prien.

Der Quereinstieg setzt ein Hochschulstudium mit Magisterabschluss in einem Fach oder einer Fachrichtung mit besonderem Bedarf voraus. Bisher vorwiegend in den Beruflichen Schulen, seit dem 1. Februar 2017 auch Sonderpädagogik. Eine Verbeamtung ist möglich.

Der Seiteneinstieg setzt ein Magister-Hochschulstudium sowie eine mehrjährige Berufserfahrung in einem Bedarfsfach voraus. Es gibt ihn in allen Lehrämtern. Voraussetzung ist auch, dass zweimal eine Stellenausschreibung des Landes erfolglos verlaufen ist. Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger werden bei 60-prozentiger Unterrichtsverpflichtung berufsbegleitend pädagogisch qualifiziert. Nach einer Abschlussprüfung ist ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis möglich.

Der Direkteinstieg setzt einen FH-Diplomabschluss oder den Bachelor (BA) an Universität oder Fachhochschule sowie zwei Jahre Berufserfahrung in einem Bedarfsfach voraus. Auch hier müssen zwei erfolglose Ausschreibungen vorangegangen sein. Qualifizierung wie beim Seiteneinstieg, Verbeamtung ist möglich.

Image verbessern

„Wir müssen auch das Image des Lehrerberufs verbessern“, sagte die Ministerin. Lehrkräfte und ihre Arbeit hätten hohe gesellschaftliche Anerkennung verdient, dazu gehöre auch eine angemessene Bezahlung. Die Rahmenbedingungen und die Wertschätzung der Arbeit sind wichtige Faktoren bei der Berufswahl junger Menschen. „Langfristig ist es unabdingbar, dass unsere Grundschullehrkräfte mit A13 besoldet werden. Als Konsolidierungsland können wir da zwar keine Vorreiterrolle einnehmen, aber ich werde mich auf Länderebene für eine einheitliche Regelung einsetzen“, sagte Ministerin Prien. Unabhängig davon werde Schleswig-Holstein die Besoldung für Grundschulleitungen erhöhen.

Einstellungen

„In der kommenden Woche werden an unseren allgemein bildenden und beruflichen Schulen insgesamt 1.941 Lehrerinnen und Lehrer ihre neue Stelle antreten“, erläuterte Ministerin Prien. „Die allermeisten freien Stellen haben wir rechtzeitig besetzen können. So seien an den 99 schleswig-holsteinischen Gymnasien zurzeit nur noch fünf unbefristete Stellen nicht besetzt, an den 43 Gemeinschaftsschulen mit Oberstufen gebe es noch sechs unbesetzte unbefristete Stellen.

Regional sehr unterschiedlich und teilweise schwieriger stelle sich die Einstellungssituation an den Grundschulen, Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe und an den Förderzentren dar. So waren im August etwa im Kreis Herzogtum Lauenburg an Grundschulen und Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe unbefristete 8,9 Stellen noch unbesetzt und an den Förderzentren noch sechs. Demgegenüber gebe es etwa in Flensburg, Kiel und Lübeck keine Schwierigkeiten, freie Stellen an Grund- und Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe zu besetzen. Die Ministerin verwies auch darauf, dass das Stellenbesetzungsverfahren noch in vollem Gange sei: „Wir kontrollieren laufend, um Lücken möglichst zügig schließen zu können. Es werden täglich weitere Stellen besetzt.“ Die Zahl der vorliegenden Bewerbungen zeige, dass Schleswig-Holstein ein attraktiver Lebensort sei und die Schulen im Land attraktive Arbeitsplätze zu bieten hätten. „Aber das ist kein Grund sich zurückzulehnen.“

Zahlen, Daten Fakten zum Schuljahr 2017/18:

Schülerinnen und Schüler (Prognose)

Insgesamt werden rund 373.100 Schülerinnen und Schülern den allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen unterrichtet.

Rund 280.500 Kinder und Jugendliche besuchen die allgemein bildenden Schulen. Im Vorjahr waren es noch rund 282.100, somit ist ein Rückgang von rund 1.600 (0,6 Prozent) zu verzeichnen.

Grundschule: Die Zahl der Kinder steigt vor allem durch den Zulauf an Flüchtlingskindern um 1,0 Prozent auf rund 100.700 (99.700 im Vorjahr).

Gemeinschaftsschulen: Insgesamt steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler durch Flüchtlingskinder in der Sekundarstufe I und den Aufwuchs der Oberstufe von 91.100 im Vorjahr auf knapp 93.200 in diesem Jahr – ein Plus von rund 2.000 oder 2,2 Prozent.

Gymnasium: Die Schülerzahlen bleiben nahezu stabil bei rund 76.300 (Vorjahr 76.600).

Förderzentren: Die Schülerzahl an den Förderzentren liegt bei rund 4.800, im Vorjahr waren es 5.000 Schülerinnen und Schüler.

Regionalschulen: 5.200 Schülerinnen und Schüler (9.400 im Vorjahr) besuchen diesen Bildungsgang, die Regionalschulen laufen 2018/19 endgültig aus.

Die berufsbildenden Schulen erwarten einen Rückgang der Schülerzahlen um rund 1.000 Schülerinnen und Schüler von 93.600 auf jetzt 92.600 (minus 1 Prozent).

Vorbereitungsdienst

Der gesamte Bestand an Lehrkräften im Vorbereitungsdienst beläuft sich momentan auf 1522 Personen, davon haben 94 Personen den Vorbereitungsdienst als Quereinsteigerin oder -einsteiger aufgenommen. 72 von ihnen sind im Berufsbildenden Bereich und 22 im Bereich der Sonderpädagogik eingesetzt. 516 wurden zum 1. August neu in den Vorbereitungsdienst eingestellt, davon sind 45 Quereinsteiger (29 im Bereich BS und 16 im Bereich SOP).

Die Anzahl der Direkteinsteigerinnen und Direkteinsteiger beläuft sich auf 3 Personen (erst seit dem Jahr 2017). 24 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger sind zum 1. August dieses Jahres eingestellt worden (13 an Grundschulen, 6 an Gemeinschaftsschulen, je 2 an Gymnasien und Berufsbildenden Schulen und 1 am Förderzentrum). Insgesamt sind in den Jahren 2016 und 2017 63 Personen in die 2-Jährige Qualifizierungsmaßnahme des Seiteneinstieges eingestellt worden.

Ganztagsangebote

Zum Schuljahr 2017/18 werden elf weitere Schulen als Offene Ganztagsschule starten. Hierbei handelt es sich ausschließlich um öffentliche Grundschulen. Damit halten insgesamt 363 Grundschulen ein Ganztags- und Betreuungsangebot vor. Die 33 öffentlichen Grundschulen, die bisher keine Form von Ganztagsbetreuung anbieten, sollen bei der Weiterentwicklung zur Offenen Ganztagsschule unterstützt werden. Insgesamt gibt es in Schleswig-Holstein ab diesem Schuljahr 517 Offene Ganztagsschulen. Das Land unterstützt die Offenen Ganztagsschulen mit rund 10,8 Millionen Euro für die Betriebskosten, außerdem erhalten die Offenen Ganztagsschule zwei Lehrerwochenstunden für die Organisation des Ganztags. Neben den Offenen Ganztagsschulen arbeiten 30 Schulen als gebundene Ganztagsschulen, davon neun als voll gebundene Ganztagsschulen an sozialen Brennpunkten.

Deutsch als Zweitsprache

In der Primar- und Sekundarstufe werden zum Schuljahresbeginn voraussichtlich 5.117 Schülerinnen und Schüler in Deutsch als Zweitsprache(DaZ)-Zentren unterrichtet.

Die 2.732 Schülerinnen und Schüler, die laut Prognose zum Schuljahresbeginn in die Aufbaustufen wechseln werden, verteilen sich wie folgt auf die Schularten:

1.075 an Grundschulen

972 an Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe

286 an Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe

90 an Gymnasien

23 an Förderzentren und

286 an berufsbildenden Schulen.

Aussender: Thomas Schunck, Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (SH)
Redaktion: Torben Gösch