Landwirtschaftsminister Robert Habeck zum Stand Geflügelpest: „Die Bekämpfung der Seuche braucht die gemeinsamen Kraft und Koordination aller Beteiligten“

Rede des Ministers für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein Dr. Robert Habeck vor dem Schleswig-Holsteinischen Landtag – Es gilt das gesprochene Wort…

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

vor gut zehn Jahren gab es schon einmal Geflügelpest in Schleswig-Holstein. Der hochpathogene Erreger H5N1 wurde damals bei Wildvögeln nachgewiesen. Aber damals musste man nach der erkrankten Tieren suchen, alles in allem gab es über den Winter nur wenige Befunde bei den Wildvögeln. Und dabei blieb es.

Jetzt ist die Geflügelpest wieder da. Es dieses Mal der hochpathogene Erreger des Subtyps H5N8. Aber die Lage ist eine ganz andere als 2006: Sie ist ungleich besorgniserregender. Erstmals überhaupt in Schleswig-Holstein ist die Geflügelpest in Tierhaltungen ausgebrochen. Erstmals musste ein großer Bestand von 30.000 Zuchthühnern getötet werden. Die Zahl der Funde von verendeten Wildvögeln steigt täglich. Das Virus ist hoch aggressiv, kerngesunde Tiere sterben extrem schnell.

Diese Situation erfordert ein klares, koordiniertes Vorgehen und strengste Sicherheitsvorkehrungen im Land. Das ist eine enorme Herausforderung für alle: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Ministeriums, die Kreisbehörden, das Landeslabor Neumünster, das nationale Referenzlabor für aviäre Influenza, das Friedrich-Löffler-Institut, die Landwirte, die privaten Geflügelhalterinnen und Geflügelhalter, Feuerwehr und Polizei und viele mehr. Es bedeutet Einschränkungen beim Handel, Sorge um die Tiere und Umstellungen beim Umgang mit dem Geflügel. Das ist teils hart, aber notwendig. Es gilt, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das Risiko der Ausbreitung der Geflügelpest nach Möglichkeit zu minimieren.

Der Bund hat inzwischen den Krisenstab – bestehend aus den Staatssekretärinnen und Staatssekretären von Bund und Ländern – einberufen. Denn außer Schleswig-Holstein sind bislang Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und nun auch Niedersachsen betroffen, mit einer Ausweitung ist zu rechnen. Zudem wurde die Geflügelpest in Dänemark, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Ungarn und Polen bestätigt.

Wichtig ist – so angespannt die Lage ist – klar zu sagen: das Virus ist in erster Linie für Wildvögel und Hausgeflügel sehr gefährlich. Nach allen Erkenntnissen der zuständigen Bundesbehörden ist eine Übertragbarkeit des Virus auf den Menschen unwahrscheinlich. Ich zitiere den Bund:

„Infektionen des Menschen mit H5N8 sind bisher nicht bekannt. Eine Übertragung des Erregers (H5N8) über infizierte Lebensmittel ist theoretisch denkbar, aber unwahrscheinlich“.

Zur Lage im Einzelnen:

Nach der amtlichen Feststellung des Geflügelpesterregers H5N8 bei Wildvögeln bzw. in Tierhaltungen wurden bislang landesweit von den zuständigen Kreisveterinärbehörden 11 Restriktionsgebiete eingerichtet. Ein weiteres im Norden des Kreises Schleswig-Flensburg ist in Vorbereitung, nachdem bei einem Wildvogel nahe Glückburg H5N8 nachgewiesen wurde. Dieser Befund erreichte uns gestern am Abend. Wir werden also in Kürze bei 12 Restriktionszonen sein.

Die Restriktionszonen bestehen aus Sperrbezirken von mindestens drei Kilometern im Umkreis der Befunde und Beobachtungsgebieten von mindestens sieben weiteren Kilometern.

Zehn der dann in Kürze 12 Restriktionszonen wurden nach Feststellung der Geflügelpest bei Wildvögeln festgelegt, zwei nach amtlich festgestellten Ausbrüchen bei Hausgeflügel. Die Restriktionsgebiete werden gemäß Geflügelpest-Verordnung eingerichtet. In ihnen gelten unter anderem Beschränkungen für die Geflügelhaltungen wie etwa das Verbot zum Verbringen von Geflügel oder das Verbringungsverbot für bestimmte tierische Erzeugnisse. Je nachdem, ob es sich um Fälle bei Wildvögeln oder Ausbrüche in Hausgeflügelhaltungen handelt, gelten etwas unterschiedliche Vorschriften in den Sperrbezirken und Beobachtungsgebieten.

Betroffen sind bislang sechs Kreise bzw. kreisfreie Städte: Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde, Plön, Segeberg, Herzogtum-Lauenburg und die Hansestadt Lübeck.

Aber auch aus anderen Gebieten werden tote Wildvögel oder andere Hinweise gemeldet. Veterinäre, Landeslabor und das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) arbeiten mit Hochdruck daran, Hinweisen nachzugehen, Proben zu nehmen und zu analysieren. Es ist voraussichtlich nur eine Frage der Zeit, bis wir die ersten Fälle auch weiter im Westen haben. Zumal der Vogelzug noch kommt. Denn nach bisherigen Erkenntnissen des FLI sind die derzeit nachgewiesen Viren sehr eng verwandt mit denen aus Südsibirien und werden mit dem Vogelzug verbreitet.

Bislang gibt es zwei Fälle in Schleswig-Holstein, in denen die Geflügelpest in Tierhaltungen nachgewiesen wurde. Im ersten Fall in Lübeck war eine Hobbytierhaltung betroffen – 18 Puten verendeten in kurzer Zeit, das übrige Geflügel– rund 25 Gänse und 67 Enten – wurde gekeult. Der Tierhalter hatte seine Tiere alle gleich nach Bekanntwerden der ersten Geflügelpestfälle bei Wildvögeln aufgestallt, aber dennoch waren seine V infiziert.

Der zweite Fall ist Ihnen allen bekannt: die Tierseuche wurde in einem Hühnerzucht-Betrieb im Kreis Schleswig-Flensburg nachgewiesen. Binnen kurzer Zeit starben dort 3.000 Hühner an H5N8, 33.000 Hühner wurden am Sonntag bis in die Nacht hinein gekeult. Eine harte, aber notwenige und gesetzlich vorgeschriebene Maßnahme zum Schutz vor Ausbreitung der Geflügelpest. Es ist ein sogenannter Großelternbetrieb – die Eier sind Bruteier, keine Konsumeier. Die letzte Lieferung ging am Montag noch vor Erkrankung der Tiere heraus und zwar nach Dänemark. Die Behörden dort wurden informiert. Ich habe Kontakt mit dem dänischen Umweltminister aufgenommen. Alle Eier wurden vernichtet.

Der betroffene Betrieb ist eine geschlossene Anlage, eine Art Hochsicherheitsanlage mit strengsten Hygienevorschriften. Um herauszufinden, wie das Virus eingeschleppt wurde, haben wir das FLI gebeten, ein Team von Epidemiologen zur Klärung der Ursache zu schicken. Das ist von hoher Bedeutung, damit wir wissen, ob und welche Maßnahmen zum weiteren Schutz erforderlich sind. Die Experten des FLI haben inzwischen die Anlage inspiziert und werten ihre Ergebnisse aus. Wenn wir den Untersuchungsbericht des FLI erhalten, werden wir die nötigen Schlussfolgerungen daraus ziehen.

Das Land hat Sicherheitsvorkehrungen verschärft

Um die Ausbreitung der Tierseuche möglichst schnell einzudämmen, haben wir als Land in Kooperation mit den Kreisveterinärbehörden folgende Maßnahmen ergriffen:

Unmittelbar nach dem ersten H5N8-Nachweis bei Wildvögeln am 8. November hat das MELUR eine landesweite Stallpflicht erlassen. Das Geflügel muss in den Stall. Dieses Aufstallungsgebot haben die Kreise verwaltungsrechtlich in eigener Verantwortung so zügig wie möglich umgesetzt. Es gilt flächendeckend in jedem Kreis – bis auf weiteres.

Die landesweite Aufstallungspflicht wird sehr ernst genommen. Bislang wurden drei zeitlich begrenzte Ausnahmegenehmigungen an der bislang noch nicht betroffenen Westküste erteilt – etwa, bis ein Stall zeitnah fertig gestellt ist. So restriktiv wir hier sein müssen, es ist im Interesse aller, hier angemessene, so weit wie möglich einvernehmliche Lösungen mit den Geflügelhaltern zu suchen.

Zudem gelten von morgen an zusätzliche Biosicherheitsmaßnahmen auch für kleine Geflügelhaltungen – die Allgemeinverfügung wurde heute in einem Sonderamtsblatt bekannt gemacht. Das ist eine Maßnahme des Landes. Ich begrüße, dass der Bund voraussichtlich in Kürze ähnliche Maßnahmen per Eilverordnung bundesweit anordnen wird. Das Virus macht nicht an den Grenzen halt.

Zu den Biosicherheitsmaßnahmen gehört, dass in den Ställen gesonderte Schutzkleidung inklusive Schuhwerk getragen werden muss. Transportmittel wie Viehtransportfahrzeuge, Anhänger und Käfige sind nach jeder Verwendung unmittelbar zu reinigen und zu desinfizieren. Große wie kleine Geflügelhaltungen müssen vor den Eingängen zu den Stallungen Desinfektionsmatten oder -wannen zur Schuhdesinfektion einrichten, Personen müssen sich unmittelbar vor Betreten des Stalls Hände waschen und desinfizieren, Hunde und Katzen sind von den Stallungen fernzuhalten.

Beide Maßnahmen – die Aufstallungspflicht als auch die strengen Biosicherheitsmaßnahmen sind ohne Frage für manche Betriebe und private Geflügelhalter nicht leicht umzusetzen und bedeuten eine Umstellung. Das ist uns sehr, sehr bewusst. Aber wir haben uns entschieden, diesen strengen, vorsorgenden Weg zu gehen, weil das Virus so aggressiv ist. Es dient dem Schutz der jeweils eigenen gehaltenen Tiere, aber auch dem Schutz vor einer Ausbreitung der Tierseuche. Und das muss unser oberstes gemeinsames Ziel sein.

Empfehlungen für die Jagd

Zudem gilt folgendes für die Jagd: In den Restriktionszonen, die nach Feststellung von Geflügelpest in Tierhaltungen eingerichtet werden, ist die Jagd verboten.

Für die übrigen Gebiete empfiehlt das MELUR als oberste Jagdbehörde: Die Jagd auf Wasservögel sollte derzeit unterbleiben. So kann das Risiko verringert werden, dass infizierte Tiere aufgescheucht werden und die Geflügelpest weiter verbreiten.

Drückjagden auf Schalenwild, insbesondere Wildschweine, können und sollten in dieser Saison wie geplant auch in den Restriktionszonen und unter dem Einsatz von Hunden durchgeführt werden sollen.

Bürgertelefon eingerichtet

Um auf all die Fragen, Sorgen und Ängste rund um das Thema zu antworten, hat das Land zudem über das Lagezentrum der Polizei ein Bürgertelefon eingerichtet. Es wird intensiv genutzt: Tote Wildvögel werden gemeldet, die Menschen erkundigen sich, was sie damit machen sollen, und erkundigen sich nach den erforderlichen Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, wir sprechen hier über Sonderamtsblätter und Eilverordnungen. Die Lage gibt allen Grund zur Sorge, und wir müssen damit rechnen, dass das Ganze nicht morgen einfach vorbei ist. Auch für eine Verschärfung der Situation ist das Ministerium vorbereitet und kann schnell weitere Schritte einleiten.

Lassen Sie mich zu Schluss noch einmal betonen: Die Bekämpfung der Seuche braucht die gemeinsamen Kraft und Koordination aller Beteiligten. Die gute Koordination, das schnelle Agieren bei Kreisen, Laboren, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten, Technischem Hilfswerk, bei Ehren- und Hauptamt, sind hierfür eine gute, unentbehrliche Grundlage. Ihnen allen gilt mein Dank.

Hinweis…

…eitere Informationen zum Thema Geflügelpest sind zu finden auf den Seiten der Landesregierung unter: www.schleswig-holstein.de/gefluegelpest

…und beim Friedrich-Löffler-Institut (FLI) unter: www.fli.de/de/aktuelles/tierseuchengeschehen/klassische-gefluegelpest

Aussender: Nicola Kabel, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (SH)
Redaktion: TG